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„Machen wir uns mit den Hirten auf den Weg nach Bethlehem!“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann im Pontifikalamt am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember 2013, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

trotz aller merkantilen Vereinnahmung von Weihnachten behält dieses Fest seine eigene unzerstörbare Atmosphäre. Die Menschwerdung Gottes in diesem Kind von Bethlehem hat etwas so Anrührendes, zutiefst menschlich Ergreifendes, dass alle Gegenströmungen letztlich das innerste Geheimnis dieses Ereignisses nicht zerstören können. Gott wird Mensch – wer es fassen kann, der fasse es.

Die Hirten auf den Feldern Bethlehems, die als erste von dieser Ungeheuerlichkeit erfahren, brauchen den Anruf der Engel. Die Weisen aus dem Morgenland, die den Weltenkönig suchen, brauchen den wegweisenden Stern.

Und auch wir, liebe Schwestern und Brüder, brauchen Verstehenshilfen, Zeichen. Denn was da passiert ist und uns heute feiern lässt, hat die Welt grundlegend verändert.

Wäre es nicht zu erwarten gewesen – wie es ja auch viele getan haben – dass Gott in Macht und Herrlichkeit kommt? Wäre dieses Mega-Ereignis nicht wert gewesen, globale Aufmerksamkeit zu erhalten und medial verbreitet zu werden? Stattdessen kommt Gott ohne Weltöffentlichkeit, in großer Armut in einem Stall oder einer Höhle als kleines Kind zur Welt.

Er nimmt gleichsam die Umstände eines Migranten an. Er kommt aus der Unendlichkeit, Ewigkeit und Allmacht des lebendigen Gottes in unsere begrenzte, endliche und zerbrechliche Welt – wie ein Außenseiter, wie jemand, den man nicht zu brauchen glaubt. Er teilt gleichsam das Schicksal der Asylbewerber.

Obwohl er „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ ist, wie wir soeben im Johannesevangelium hörten, „kam er in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ (Joh 1,10.11)

Johannes konfrontiert uns mit ungeheuerlichen Aussagen. In unseren Ohren klingen sie hart. Und ihre Härte steht in krassem Kontrast zur gefühlvollen Weihnacht. Muss uns dies aber nicht die Augen öffnen für die Situation all der Menschen, die heute als Migranten, als Flüchtlinge und als Asylsuchende weltweit unterwegs sind?

Endloses Leid kennzeichnet unsere heutige Welt. Menschen sind wegen Krieg, Ausbeutung und Hunger als Flüchtlinge heimatlos geworden, sind auf der Flucht unterwegs. Allein mehr als eine Million Syrer – darunter viele Christen – suchen einen Überlebensort. Viele – zirka 1,6 Millionen Syrer halten sich allein im benachbarten Libanon auf, der selber nur vier Millionen Einwohner hat. Welch katastrophale Situation!

Die Zahl der Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen, wird in diesem Jahr weit mehr als 100.000 Personen betragen – gemessen am Flüchtlingsdrama, das sich im Libanon abspielt, eine vergleichsweise geringe Zahl.

Bei uns in Bayern werden in diesem Jahr etwa 18.000 Asylbewerber untergebracht werden müssen. Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass viele unserer Mitbürger dagegen Vorbehalte haben. Bei meinen verschiedenen Besuchen in großen und kleinen Asylunterkünften konnte ich hautnah das Elend dieser Menschen kennen lernen, die oft traumatisiert, entwurzelt und hilflos bei uns Schutz und einen neuen Lebensanfang suchen.

In einem Würzburger Gymnasium haben Abiturienten einen Sonderkurs im Blick auf die Asylbewerber in unserem Land durchgeführt. Unter der Überschrift „In meinem Land bist du, wie ich in deinem Land“ haben sie neben Fotos aktuelle Berichte von jungen Migranten veröffentlicht. Dort heißt es von einer heute 18-Jährigen: „Der Balkankrieg sorgte für Unruhen, unter anderem auch in Kosovo, meinem Heimatland. Nicht lange dauerte es, als unser Dorf angegriffen wurde und alles, samt unserer Häuser und unserem Geld, niedergebrannt wurde. … Wir machten uns zu Fuß auf den Weg… In Mazedonien angekommen, befand sich ein Flüchtlingslager, von wo aus Busse nach Deutschland fahren sollten. Nach vielen Hürden kamen wir schließlich in Würzburg an, wo unser neues Leben beginnen sollte.“ (Fatjona, 18 Jahre)

Ein anderes Mädchen schrieb: „(1999 …(als) ich viereinhalb Jahre alt war, hatten mein Vater und seine Eltern die Erlaubnis erhalten, dauerhaft nach Deutschland zu kommen und wohnen zu bleiben. Meine Mutter und ich jedoch nicht. Er fuhr weg mit dem Versprechen, er hole uns in drei Monaten ab. Dies geschah leider nicht. Es dauerte sehr lange. Bis das deutsche Gericht und die deutschen Ämter die Erlaubnis ausgesprochen hatten, war ich bereits sechs Jahre alt.“ (Ebd.) 

Liebe Schwestern und Brüder, es ließen sich viele erschütternde Beispiele finden. Froh darf ich sagen, dass bei uns in Würzburg schon vieles getan wird, um den heimatlos Gewordenen eine neue Zukunft zu schenken. Unser Bistum, die Caritas, Sant‘Egidio, das Missionsärztliche Institut, die Studentenseelsorge und viele pfarrliche Initiativen haben sich auf den Weg gemacht zu helfen. Aber es bleibt noch viel zu tun!

Zwei Frauen des Pfarrgemeinderates in Zimmern haben Initiative ergriffen, die christliche Nächstenliebe auf Vorschlag der Caritas unter dem Begriff „Asyl-Netz Zimmern“ realisiert. Eine von ihnen sagte: „Ich denke oft darüber nach, wie es wäre, wenn ich jetzt nach Äthiopien kommen würde – mutterseelenallein…“

Die Heilige Familie hat nicht nur die karge Situation in Bethlehem erlebt, sondern auch die Flucht nach Ägypten. Wie es ihnen dort ergangen ist, erfahren wir nicht. Aber sicher gelten den Menschen, die damals geholfen haben genau so wie denen, die heute engagiert mithelfen, die Worte des Propheten Jesaja: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König.“ (Jes 52,7)

Gott würdigt uns, an dieser Friedensinitiative mitzuwirken. Er ist mitten unter uns, wenn wir sein Kommen in unsere Welt durch unsere Wachsamkeit und tätige Hilfsbereitschaft begleiten. Machen wir uns so mit den Hirten auf den Weg nach Bethlehem! Papst Franziskus hat in einer Ansprache vor wenigen Tagen gesagt:

„Die Jungfrau Maria helfe uns, unseren Schritt nach Bethlehem schneller werden zu lassen, um dem Kind zu begegnen, das für uns geboren wurde, für das Heil und die Freude aller Menschen…. Möge sie für uns erwirken, die Freude des Evangeliums in der Familie, bei der Arbeit, in der Gemeinde sowie in allen Bereichen zu leben.“

Amen.