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„Bringt Eure Lebendigkeit zu Hause ein“

Katechese mit Bischof Dr. Friedhelm Hofmann in der Hafenschule von Rio de Janeiro – „Laien sind nicht Lückenbüßer“

Rio de Janeiro/Würzburg (POW) Freitagmorgen in der vom Langenprozeltener Franziskanerpater Eckart Höfling gegründeten Hafenschule in Rio de Janeiro: Eine Handglocke läutet, sie ruft zur Katechese. In dem verschachtelten Schulgebäude herrscht ein ziemliches Gewusel. Fast 500 Jugendliche und junge Erwachsene sind dort für die Zeit des Weltjugendtages untergebracht. Neben den rund 70 Würzburgern sind noch etwa 180 weitere Pilger aus Bayern dort, dazu kommen 50 Brasilianer aus der Würzburger Partnerdiözese Óbidos und weitere 200 Brasilianer, die einer charismatischen Gruppe angehören. Kein Wunder, dass es nie so richtig ruhig wird in dem Gebäude, in dem normalerweise den Kindern aus der Umgebung eine Schulbildung vermittelt wird. Und mehr als nur das, sagt Cornelia Warsitz: „Diese Schule ist so etwas wie ein heiliger Ort, denn um dieses Zentrum herum herrschen Tod, Gewalt und Drogenkrieg.“ Die Würzburgerin hat dort über 20 Jahre gearbeitet. Für sie ist das, was in der Schule für die Bildung und das Gesundheitswesen getan wird, ganz praktische Glaubensweitergabe.

Um den Glauben geht es aber auch bei der Zusammenkunft, zu der die Jugendlichen jetzt eingeladen sind. Der Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann ist zu Besuch und lädt zur Katechese mit anschließendem Gottesdienst. Diese Treffen gibt es beim Weltjugendtag jeden Vormittag in etwa zeitgleich in vielen Gotteshäusern der Stadt. Sie gehören zum festen Programm für die Pilger aus aller Welt. In der Hafenschule findet die Katechese in einer Art Aula statt, einem großen, überdachten Raum mit offenen Fenstern. Über 100 deutsche Jugendliche, darunter die komplette Würzburger Gruppe, sind gekommen, die brasilianischen Teilnehmer haben an anderen Orten Veranstaltungen in ihrer Sprache.

Mit einem kurzem szenischen Spiel leiten die Jugendlichen zum Thema hin: Wie macht sich Glaube ganz konkret bemerkbar? Bischof Hofmann erzählt ihnen aus seinem eigenen Leben. In der Familie sei er ganz selbstverständlich in die Welt des Glaubens hineingewachsen. Die Gebete um den Vater, der im Krieg in Russland in Gefangenschaft geraten war, seien ihm besonders eindrücklich in Erinnerung. „Liebende wissen: Wir stehen zueinander, wir teilen unser Leben – und so ist das auch mit dem Glauben“, sagt Bischof Hofmann. In der Pubertät, erklärt er weiter, habe er so etwas wie eine Glaubenskrise gehabt. Er habe für sich auch akzeptieren müssen, dass es in der Kirche oft ganz menschlich zugeht. „Als ich gemeinsam mit einem Freund feststellte, dass jeder Priester, den wir kennen, irgendwo auch eine Macke hat, habe ich daraus geschlossen: Wenn alle eine Macke haben, dann kann ich auch Priester werden.“ Der Bischof ermutigt die Jugendlichen, sich mit der Kirche zu identifizieren, trotz der Schuld, die sie auch immer wieder auf sich lade. Mit der müsse man sich auseinandersetzen und dürfe dabei aber nicht vergessen, dass auch jeder einzelne immer wieder persönlich Schuld auf sich lade. Für ihn persönlich sei irgendwann im Leben dann ganz klar gewesen: „Ich kann nicht von einer Botschaft schweigen, die mir Leben verspricht – Leben, das über den Tod hinausgeht. Menschen, die nur auf das Diesseits fixiert sind, sind arm dran.“

Die Aufmerksamkeit bei den Jugendlichen scheint immer dann besonders groß, wenn Bischof Hofmann sehr persönlich von sich und seinen Erfahrungen spricht. In den Kleingruppengesprächen, die sich der Katechese anschließen, wird dann auch sehr ernsthaft über eigene Glaubenserfahrungen und die eigene Glaubenspraxis gesprochen. „Für mich ist der Gottesdienst schon etwas Wichtiges, aber gerade deswegen brauche ich ihn nicht jede Woche“, sagt einer ganz offen. Ein anderer äußert seine Skepsis über das als aufdringlich empfundene Missionieren einer amerikanischen Gruppe, die er bei den Tagen der Begegnung in Óbidos erlebt hat. „Ich will den Glauben so leben, dass er sich für mich echt anfühlt, dann können mich die Leute auch gerne ansprechen und ich werde ihnen von meinem Glauben erzählen“, erklärt er sein Verständnis von Mission.

In der Fragerunde im Anschluss wird deutlich, dass hier Jugendliche versammelt sind, die sich überdurchschnittlich mit Glaube und Kirche auseinandersetzen. Ihnen ist ihre Kirche nicht egal, sie wollen wissen, warum das, was sie in Brasilien an Lebendigkeit spüren können, zu Hause so wenig erlebbar ist. „Hier scheint alles viel lockerer zu sein. Kann man es in Deutschland nicht möglich machen, dass Laien und vor allem die Frauen mehr machen können?“, fragt eine junge Frau aus der Erzdiözese München und Freising. Hermann, ein Jugendlicher, der im Rahmen des Weltwärts-Programms für ein Jahr in Brasilien war, schildert seinen Eindruck, dass der in Brasilien weit verbreitete Einsatz von Laien in Gemeindeleitung und Liturgie wohl zunächst nur eine Notlösung gegen den Priestermangel gewesen sei, sich jetzt aber als Modell bewährt habe. Bischof Hofmann erklärt: „Laien sind nicht Lückenbüßer, sie haben durch die Taufe und die Firmung die Berufung aktiv mit zu arbeiten. Ich plädiere dafür, die Möglichkeiten, die wir haben, auch schon zu nutzen.“ Das werde auch immer dringlicher, wie ein anderer Diskussionsteilnehmer bemerkt, der auf die Zahlen im Bistum Óbidos hinweist: dort sind 27 Priester für 200.000 Katholiken zuständig, und die Seelsorge mit Hilfe der ehrenamtlichen Laien funktioniert trotzdem. Das sei zu Hause kaum zu vermitteln, meint er.

Matthias Zöller, geistlicher Leiter des Würzburger Diözesanverbands des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), hakt noch einmal nach. Er sieht das Zusammenwirken von Laien und Amt zu Hause vor allem durch einen zunehmenden Klerikalismus unter den jungen Priestern bedroht. „Es gibt in Deutschland gerade in der jungen Generation Priester, die bemüht scheinen, den Abstand zwischen Amt und Laien wieder zu vergrößern“, sagt Zöller. Er nehme wahr, dass sich dann viele engagierte Christen abwendeten, weil sie sich nicht ernst genommen fühlten. Der Bischof warnt vor Verallgemeinerungen, betont aber auch, dass er selbst gegen jede Form von Klerikalismus sei. „Es ist für mich ein Gräuel, wenn sich so etwas aufbaut“, antwortet der Würzburger Bischof und erklärt, dass auch schon Bewerber für das Priesterseminar abgewiesen worden seien, die mit solchen Vorstellungen gekommen seien.

Bei der sich anschließenden Eucharistiefeier, bei der Stefan Rapp, Bundespräses des BDKJ, und Daniel Lerch, Diözesan-Jugendpfarrer der Erzdiözese München und Freising, konzelebrieren, wird das Bibelzitat „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ in die Mitte gestellt. Noch einmal wird das Anliegen des Bischofs deutlich, dass die jungen Christen ihre eigene Berufung erkennen und ihre Taufe als Beauftragung erfahren, den Glauben auf je eigene Weise in die Welt zu tragen. Bischof Hofmann betont, dass man das hier Erfahrene auch auf den Prüfstand stellen müsse. „Vielleicht ist hier alles ein wenig lockerer, ein wenig spontaner, aber die Grundvoraussetzungen von Kirche sind auch hier in Brasilien dieselben wie bei uns in Deutschland“, sagt er nach dem Zusammentreffen mit den Würzburger Jugendlichen. Den Jugendlichen will er noch einmal die drei Botschaften mit auf den Weg geben, die er in der Verkündigung von Papst Franziskus an die Weltjugendtagsbesucher herausgehört hat: „Bringt eure Lebendigkeit in den Gemeinden zu Hause ein, baut eine Gesellschaft, in der alle – auch die Jungen und die Alten – einen Platz haben, und verwässert nicht Euren Glauben, biegt ihn Euch nicht so zurecht, wie Ihr ihn gerade braucht.“

Aus Rio de Janeiro berichtet Burkard Vogt (POW)

(3113/0806; E-Mail voraus)

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