Würzburg (POW) Von Anfangsbegeisterung kann keine Rede sein. Als Bischof Dr. Friedhelm Hofmann, damals noch Weihbischof in Köln, bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe im Jahr 2001 angefragt wird, ob er die Leitung bei der Erarbeitung eines neuen katholischen Gebet- und Gesangbuchs übernehmen wolle, ist er völlig überrascht. Er will die Aufgabe nicht. „Ich wurde gedrängt und kam mir vor wie der Hund, den man zum Jagen tragen muss“, erzählt er später schmunzelnd. Als er schließlich zustimmt, hängt er den Satz an: „Aber wenn ich die Fährte aufgenommen habe, dann ganz, und wehe dem, der mir dann Knüppel zwischen die Beine wirft. Derjenige soll es dann selber machen.“ Zwölf Jahre später sieht sich der Bischof – um bei seinem Bild zu bleiben – als „ein Hund, der erfolgreich war auf der Jagd“: Das neue katholische Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ wird ab Advent in den deutschsprachigen Gemeinden eingeführt.
Mit vier bis fünf Jahren Arbeit rechnet Bischof Hofmann, als sich die Unterkommission „Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch“ bildet und er den Vorsitz übernimmt. Am 6. April 2002 trifft er sich erstmals mit den Bischöfen Egon Kapellari (Graz-Seckau), Alois Kothgasser (Salzburg), Ludwig Schick (Bamberg) und Joachim Wanke (Erfurt) in Köln zur konstituierenden Sitzung. In den kommenden Jahren – aus den geplanten fünf Jahren wird mehr als ein Jahrzehnt – geben die fünf Bischöfe sowie deren acht Berater und Beraterinnen aus Liturgie, Kirchenmusik, Exegese, Spiritualität und Pastoral ihr ganzes Herzblut in die Erarbeitung des neuen „Gotteslob“ hinein. Zum „großen Glücksfall“ wird für Bischof Hofmann als Vorsitzenden der Unterkommission die Wahl seines Referenten, des Diakons Winfried Vogel. Der zum Erzbistum Köln gehörende Jurist und Theologe leistet nach den Worten des Bischofs „die Knochenarbeit“ bei der Erarbeitung des neuen „Gotteslob“.
„Keine Therapie ohne Diagnose“ umschreibt Bischof Hofmann das Programm für die erste Etappe: Zunächst ist 2003 eine Akzeptanzerhebung zum bisherigen „Gotteslob“ angesagt, das seit 1975 in den Gemeinden genutzt wird. Nach der Auswertung der knapp 2000 Rückläufe der Umfrage beginnt die inhaltliche Ausgestaltung des neuen „Gotteslob“ in zehn Arbeitsgruppen, die die Unterkommission 2004 einrichtet. Rund 100 Fachleute der unterschiedlichen Fachdisziplinen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol wirken in den zehn Gruppen mit. Parallel hierzu trifft man sich mit den Beauftragten der 37 beteiligten Diözesen für das „Gotteslob“. Die Arbeitsgruppen sind in die drei Bereiche Gesänge, Texte und Liturgie unterteilt. Bei den Gesängen geht es um Lieder, um Gregorianik, um Psalmodien und um die musikalischen Begleitpublikationen wie Orgelbuch und Bläsersätze. Der Bereich Texte umfasst die Gebete, erklärende Texte zu Glaubensfragen und die Buchgestaltung. Die Arbeitsgruppen im Bereich Liturgie beschäftigen sich schließlich mit der Feier der heiligen Messe, mit anderen sakramentalen Feiern wie Taufe, Beichte oder Hochzeit sowie mit der Tagzeitenliturgie, der Wort-Gottes-Feier und Andachten.
„Wir haben uns in der Unterkommission nichts gespart. Es wurde offen geredet und mit den Fachleuten diskutiert und auch bei manchen Fragen um Lösungen gerungen“, erzählt Bischof Hofmann. Es sei sehr schwierig gewesen, alle beteiligten Bistümer unter einen Hut zu bekommen. „Wir wollten nicht im Fachgeplänkel untergehen. Das Buch sollte auch ein kleines Kunstwerk werden.“ Auch Hartnäckigkeit ist für Bischof Hofmann angesagt, damit sich beispielsweise die Kirchenmusiker nicht über einzelne Noten streiten, sondern das Gebet- und Gesangbuch als Aufgabe sehen, den Menschen eine Möglichkeit zu geben, miteinander zu beten und zu singen. „Es war wichtig, dass Fachsimpelei nicht das Ganze erschwerte oder gar verhinderte“, berichtet der Bischof. Und auch in Rom spricht er vor, als es um die Erteilung der Recognitio für Texte der in der Liturgie verwendeten Gesänge geht.
Das Ziel steht allen Beteiligten vor Augen: ein Gebet- und Gesangbuch für die Liturgie, das aber gleichzeitig als Hausbuch für Familien und für das Gebet des Einzelnen dient. Alte Lieder, die sich nicht im bisherigen Gotteslob finden, aber gerne gesungen werden, sollen ebenso aufgenommen werden wie Neues Geistliches Liedgut. Texte und Lieder sollen auch Menschen ansprechen, die nicht mehr im kirchlichen Leben beheimatet sind. So werden nach den Worten des Bischofs Themen „ins Gebet genommen“, die Menschen von heute ansprechen und bewegen, beispielsweise Trauer und Zweifel oder die Bewahrung der Schöpfung.
Eine erhebliche Hilfe bei der Frage nach der Akzeptanz des Konzepts für das neue „Gotteslob“ ist für Bischof Hofmann ein Test des Erarbeiteten von Advent 2007 bis Pfingsten 2008 mit der Probepublikation. 186 Gemeinden in Deutschland, Österreich und Südtirol erproben und bewerten eine Auswahl der vorliegenden Lieder, Gebete und Texte sowie das Layout. Darüber hinaus werden Bereiche konkret im häuslichen Umfeld getestet. Ausgewählte Familien teilen mit, ob zum Beispiel die in der Probepublikation enthaltenen Hausfeiern zu Advent und Weihnachten im Kreis der Familien nutzbar sind oder ob ihnen das vorgeschlagene Hausgebet für einen Verstorbenen eine Hilfe ist. Insgesamt etwa 700.000 einzelne Antworten gehen als Reaktion ein. Das neue „Gotteslob“ steht damit auf einer sehr breiten Erfahrungsbasis. „Die Probepublikation hat uns sehr geholfen, entsprechende Kriterien für die Endredaktion zu haben“, sagt Bischof Hofmann. Im August 2008 berät die Unterkommission die Ergebnisse der Auswertung der Testphase. In Folge kann der Stammteil des neuen „Gotteslob“ entstehen, den die Diözesen Deutschlands und Österreichs sowie die Bistümer Bozen-Brixen und Lüttich mit ihrem jeweiligen diözesanen Eigenteil zusammenführen.
Besonderes Augenmerk legt Bischof Hofmann neben der inhaltlichen Zusammenstellung auf die künstlerische Gestaltung. „Ich bin bis heute noch erstaunt, dass ich das durchgebracht habe“, sagt er mit Blick auf die zeitgenössischen Zeichnungen der Kölner Künstlerin Monika Bartholomé im neuen „Gotteslob“. Die Katholische Bibelanstalt in Stuttgart schlägt ihm die Künstlerin vor. Bischof Hofmann ist angetan von den Zeichnungen und auch überzeugt, dass „wir die Gläubigen kulturell nicht unterschätzen dürfen. Über die Zeichnungen können Menschen zu einer anderen Form des Betens finden“. Nicht alle Mitglieder der Deutschen und Österreichischen Bischofskonferenz sind begeistert, „aber die, die den Zeichnungen kritisch gegenüberstanden, waren still“, blickt der Bischof zurück auf die Entscheidungsfindung. In einem Werkbuch zum „Gotteslob“, das im kommenden Jahr erscheinen soll, wird Bischof Hofmann die Werke Bartholomés erläutern.
Zwölf Jahre intensiver Beschäftigung mit dem „Gotteslob“ liegen nun hinter Bischof Hofmann. „Ich habe eine ganze Menge Lebenszeit hineingesteckt. Es gab Bauchgrimmen vor manchen Sitzungen. Manche Abstriche mussten gemacht werden, wobei wir immer wussten, dass das Buch den Glauben der Kirche fordert und die Inhalte katholisch sein müssen.“ Ein „Schlag in den Magen“ ist für Bischof Hofmann der Ärger rund um den Druck des „Gotteslob“ in den vergangenen Monaten. Doch ist auch diese Auseinandersetzung beendet, die Druckmaschinen laufen. Insgesamt vier Millionen Exemplare umfasst die Erstauflage aller Ausgaben.
Den beiden Päpsten hat Bischof Hofmann das Buch bereits überreicht, jetzt freut er sich auf die Einführung in den deutschsprachigen Bistümern: „Uns ist ein großes Gemeinschaftswerk gelungen. Ich hoffe, dass das neue Gotteslob nicht nur ein Buch zur Mitfeier der Liturgie wird, sondern auch ein Hausbuch für die Familien und den Alltag. Die vielen Impulse des Buches mögen nicht nur den Gottesdienst, sondern den Glauben in den Gemeinden insgesamt neu beleben. Der reichhaltige Schatz des neuen Buches kann endlich gehoben werden.“
bs (POW)
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