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„Glaubensbekenntnis öffentlich bezeugen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Fronleichnamsfest, 30. Mai 2013, im Kiliansdom zu Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

der heilige Paulus hat uns im Ersten Korintherbrief die älteste authentische, apostolische Überlieferung der Einsetzung der Eucharistie geschenkt. Im Ersten Korintherbrief schreibt er: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe.“ (1 Kor 11,23). Und nun schildert er, wie Jesus, der Herr, am Gründonnerstagabend Brot nahm, das Dankgebet sprach, das Brot brach und sagte: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ – den Kelch nahm und sprach: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“

Der Begriff Gedächtnis hat eine weitreichende Bedeutung. Ein entscheidendes Ereignis im Leben des Volkes Israel ist das Gedächtnis an den Auszug des Volkes Israel aus der Knechtschaft Ägyptens. Durch den von seinen Brüdern nach Ägypten verkauften Josef kam das Volk Israel über einen längeren Zeitraum schließlich in die dortige Sklaverei. Das zentrale Ereignis ist dann seine Befreiung durch Gott. Über Moses führt Gott sein Volk aus der Gefangenschaft in das Gelobte Land. Dies hat sich unauslöschlich in das Gedächtnis des Volkes eingeprägt. Jedes Jahr wird dieses Fest nun als ein Hirtenfest – zusammen mit dem geopferten Lamm und dem ungesäuerten Brot – also mit ganz konkret geforderten Zeichen – gefeiert. Das besondere bei dieser Gedächtnisfeier ist, dass die feiernde Gemeinde sich nicht nur an das großartige Geschehene zurück erinnert, sondern in und mit der Feier sich in den gegenwärtigen Schutz Gottes stellt.

Jede Generation, die zusammenkommt, um an diesem Erinnerungsfest teilzunehmen, begibt sich nicht nur in eine rituelle Feier, sondern in die lebendige Begegnung mit Gott. So wie Gott damals das auserwählte Volk aus der Sklaverei in Ägypten in das verheißene Land führte, so ist Gott der Gemeinde auch jetzt nahe. Sein damaliges Heilswirken fließt in diese feiernde Stunde. Seine Rettungstat zieht sich in die Gegenwart.

Dieses Bewusstsein hatten auch die Apostel, als sie mit Jesus das Abendmahl feierten. Seine bis in unsere Gegenwart wirkmächtigen Worte „Das ist mein Fleisch“, „Das ist mein Blut“ sind nicht nur im und für den Abendmahlssaal gesprochen, sondern entfalten ihre Wirksamkeit aus dem Abendmahlssaal heraus immer dann, wenn sie im Auftrag und in der Vollmacht Jesu zu seinem Gedächtnis in der heiligen Messe gesprochen werden. Das ist ja das Großartige: Wir halten nicht nur eine Erinnerungsfeier an das Geschehen im Abendmahlssaal wach, wir ‚spielen’ auch nicht das Abendmahl nach, sondern es vollzieht sich das damalige Geschehen unter uns. Der einmalige Kreuzestod Jesu, den er freiwillig aus Liebe zu uns auf sich nahm, zog sich schon damals in das Abendmahlsgeschehen hinein und vergegenwärtigt sich auch heute in jeder heiligen Messe.

Liebe Schwestern und Brüder,

durch alle Jahrhunderte haben sich hochgescheite und einfache fromme Christen den Kopf über das Geheimnis der heiligen Eucharistie zerbrochen. Im Grunde kam alles Ringen um Verstehen letztlich zur Erkenntnis, dass man nur staunend und anbetend vor diesem Geheimnis verbleiben könne.

Der heilige Thomas von Aquin, der sich besonders intensiv mit der Gegenwart Jesu Christi in den Gestalten von Brot und Wein auseinandergesetzt hat, hat im Gegenüber zur Bedeutung der Eucharistie sein ganzes Werk als ‚Stroh’ bezeichnet. Letztlich ringt er in der Sequenz „Lauda Sion Salvatorem“ um ein gläubiges Verständnis, wenn er sagt:

„Dieses Brot sollst du erheben, welches lebt und gibt das Leben, das man heut’ den Christen weist…

Vor der Wahrheit muss das Zeichen, vor dem Licht der Schatten weichen, hell erglänzt des Tages Strahl…

Doch was uns der Glaube kündet, der Gestalten Wesen schwindet, Fleisch und Blut wird Brot und Wein.

Was das Auge nicht kann sehen, der Verstand nicht kann verstehen, sieht der feste Glaube ein…“

Wie wollen wir auch das Geheimnis der Wesensverwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Jesu Christi verstehen oder anderen begreiflich machen? Ich möchte Ihnen ein Gleichnis vortragen, dessen Grenzen mir zwar auch bewusst sind, von dem ich aber doch eine Verstehenshilfe erhoffe:

Der Bischof von Gaza wurde einst von einem Moslem gebeten, er möge ihm das Geheimnis der Eucharistie erklären. „Wie kann aus Brot und Wein Fleisch und Blut Christi werden?“ Der Bischof antwortete: „Als kleines Kind kamst du auf die Welt. Doch du bist nicht so klein geblieben. Du bist vielmehr gewachsen und groß geworden. Dein Leib hat die Nahrung verwandelt. – Wenn nun schon der Körper des Menschen Brot und Wein und jegliche Nahrung in Fleisch und Blut zu wandeln vermag, so wird das wohl auch der allmächtige Gott vermögen.“

Der Moslem horchte auf, stellte dann aber eine zweite Frage: „Wie soll es aber möglich sein, dass in dieser kleinen Scheibe Brot der ganze Christus gegenwärtig ist? Das ist doch nicht zu fassen!“ Der Bischof antwortete mit einer Gegenfrage: „Du siehst die Welt, die uns umgibt?“ Sein Gegenüber nickte. „Du weißt, wie klein des Menschen Auge ist?“ fragte er weiter. Wieder nickte der Fragesteller. „Und dennoch“, fuhr der Bischof fort, „findet die ganze Welt in deinem Auge Platz. Wie sollte es dem Herrn der Schöpfung da nicht möglich sein, in dieser kleinen Hostie ganz präsent zu sein!“

Der verblüffte Moslem richtete dann aber doch noch eine dritte Frage an den Bischof: „Aber es ist doch unmöglich, dass derselbe Christus gleichzeitig in allen euren Kirchen gegenwärtig ist!“ Und der Bischof: „Nun, schau dich doch einmal um. Hier liegen Scherben eines Spiegels. Dein Bild findest du in jedem Splitter wieder, und meine Worte hören alle, die uns umstehen. Wie sollte es Gott, dem Allherrscher, nicht möglich sein, dass Christi Leib an vielen Orten gleichzeitig zugegen ist?“ (Aus: Anbetungsstunde am Gründonnerstagabend, S. 6f.)

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich dieses Gleichnis zum ersten Mal hörte, war auch ich verblüfft. Ist unser kleiner Verstand vor dem allmächtigen Gott nicht wirklich gut beraten, da anbetend stehen zu bleiben, wo wir mit menschlichem Denken und Ermessen nicht weiter kommen können? Der heilige Thomas von Aquin fordert uns in seiner Sequenz auf, anzubeten und zu bitten: „Guter Hirt, du wahre Speise, Jesus, gnädig dich erweise! Nähre uns auf deinen Auen, lass uns deine Wonnen schauen in des Lebens ewigem Reich!

Wir stehen staunend und dankbar vor dieser Liebesmitteilung Gottes in der Erschaffung des Menschen, in der Menschwerdung seines Sohnes und der bleibenden eucharistischen Gegenwart Jesu Christi in den Gestalten von Brot und Wein. Wenn wir – wie die Jünger damals – den Herrn fragen: „Wo wohnst du?“ wird er uns auch auf seine Gegenwart in der heiligen Eucharistie verweisen.

Christus öffnete uns den Weg zum ewigen Leben. Aber auf diesem Weg dorthin schauen wir nicht nur auf sein Heilswirken zurück, sondern stellen uns mitten in seine Gegenwart. Denn Christus ist mit seiner Himmelfahrt nicht aus dieser Welt entschwunden, sondern er bleibt unter uns gegenwärtig in seinem Wort und dem Sakrament der Eucharistie. Christus macht und gibt sich uns zur Speise.

Wenn wir in der eucharistischen Prozession durch die Straßen unserer Städte und Dörfer ziehen, dann laufen wir nicht hinter einem Stücken Brot her, sondern folgen Christus und bekennen so seine reale Gegenwart in der eucharistischen Brotsgestalt. Wir tun dies aus Dankbarkeit für dieses Geschenk, aber auch, um unseren Mitmenschen die Bedeutung und Größe dieses Geheimnisses vor Augen zu führen.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich weiß um die Skepsis vieler Mitmenschen, die meinen, es könne nicht sein, dass sich in der Wandlung von Brot und Wein innerhalb der heiligen Messe tatsächlich Christi Fleisch und Blut ergebe. Sie wollen mit ihrem Verstand diesem unfassbaren Geschehen nachkommen. Aber – Hand aufs Herz – wer versteht schon, dass sich aus einer kleinen Zwiebel eine wunderbare Blume in aller Pracht entwickelt? Und erleben wir dies nicht täglich?

Wer versteht schon, dass Glaube, Hoffnung und Liebe die Welt verändern? Erfahren wir dies nicht auch an uns selbst?

Wir bleiben immer nur staunend vor den Geheimnissen unserer Welt und unseres Lebens stehen.

Warum sollten wir nicht auch die Demut aufbringen, Christi Wort zu glauben und uns diesem Geheimnis der Liebe hinzugeben?

Der heilige Niklas von Flüe hat (im 15. Jahrhundert) viele Jahre seines Lebens nachweislich nur von der heiligen Kommunion gelebt. Diese Nahrungslosigkeit wird auch glaubwürdig von der Therese Neumann aus Konnersreuth berichtet. Das Brot für das Ewige Leben wurde für sie zum Brot des täglichen Lebens, das sie ernährte.

Edith Stein verbrachte ganze Nächte in der Anbetung vor dem Allerheiligsten. Sie berichtete, dass sie noch vor ihrer Konversion einmal in Frankfurt den dortigen Dom besucht habe. Besonders habe sie beeindruckt, dass Frauen mit ihren Taschen und Körben in den Dom gekommen seien, diese in der Bank abstellten, niederknieten und im stillen Gebet verweilten. Diese durch die eucharistische Gegenwart ermöglichte persönliche Zwiesprache zwischen dem Herrn und dem einzelnen Beter sei ihr unvergesslich eingeprägt.

Später, nach ihrer Konversion zum katholischen Glauben, aber noch vor ihrem Eintritt in den Kölner Karmel, schrieb sie an eine ihr befreundete Karmelitin, die offensichtlich Glaubenszweifel bekommen hatte: „ … da ich eben aus der Kapelle heraufkomme, wo heute früh das Sanctissimum ausgesetzt wurde, … so möchte ich Dir gleich einen Gruß des eucharistischen Heilandes bringen und zugleich einen liebevollen Vorwurf, weil Du Dich durch ein paar gedruckte Worte irre machen lässt an dem, was Du in so vielen Jahren vor dem Tabernakel erfahren hast. Dogmatisch scheint mir die Sache ganz klar: Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit. Er ist das nicht seinetwegen, sondern unseretwegen: weil es seine Freude ist, bei den Menschenkindern zu sein. Und weil er weiß, dass wir, wie wir nun einmal sind, Seine persönliche Nähe brauchen. Die Konsequenz ist für jeden natürlich Denkenden, dass er sich hingezogen fühlt und dort ist, sooft und solange er darf. Ebenso klar ist die Praxis der Kirche, die das Ewige Gebet eingeführt hat.“ (Stein Edith: Am Kreuz vermählt. Meditationen. 1984, 94f.)

Mutter Theresa hat für ihre in der Sorge für die Ärmsten der Armen tätigen Mitschwestern für jeden Tag eine Anbetungszeit vor dem Allerheiligsten verpflichtend gemacht.

Und auch die jüngst nach Aschaffenburg gekommene franziskanische Gemeinschaft von Bethanien verbringt jede Nacht von drei bis vier Uhr vor dem Allerheiligsten. Ihre aus dieser eucharistischen Verbundenheit erwachsende Gastfreundschaft, die sich an der Gastfreundschaft des Hauses von Lazarus, Maria und Martha in Bethanien orientiert, will die in der Kommunikation mit dem lebendigen Christus erlebte Freundschaft weitertragen.

Wer in die Kommunion-Gemeinschaft mit Christus eintritt, kann nicht anders, als auch in Gemeinschaft mit dem Nächsten einzutreten. Die enge Verbindung mit Christus, die weit über jede menschliche Verbindung hinausgeht, drängt zur Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen. Ist diese Konsequenz nicht gerade für unsere Tage wichtig, da sich in der fortschreitenden Individualisierung unserer Gesellschaft die Defizite des fehlenden Glaubens in Egoismus und Kälte handfest bemerkbar machen?

Mit großer Freude und Dankbarkeit dürfen wir dem eucharistischen Herrn huldigen und unser Glaubensbekenntnis öffentlich bezeugen – zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen.

Schon als Bub wollte der 2011 selig gesprochene Pfarrer Georg Häfner Priester werden. Als Ministrant im Würzburger Karmel von Himmelspforten reifte dieser Wunsch heran. In der im Karmel beeindruckend gelebten Stille, die eine wesentliche Voraussetzung für den Zugang zum Gebet ist, fand er einen tiefen Zugang zum Rosenkranzgebet und zur Anbetung der Eucharistie. Als er in den Dritten Orden vom Berge Karmel eintrat, nahm er den Ordensnamen Aloysius vom heiligsten Sakrament an.

Die reale Gegenwart des auferstandenen Herrn in der kleinen Brotsgestalt begleitete ihn durch sein ganzes Leben. In ihr lebte er, sie wollte er anderen Menschen vermitteln. Kompromisslos gegenüber dem Nazi-Regime bezahlte er seine Treue zu Christus mit dem Tod im Konzentrationslager Dachau. Dort erlebte er Schmähung, Folter und Not in der bewussten Nachfolge Jesu auf dem Kreuzweg. Er schrieb aus Dachau: „Meine Leidenstage opfere ich auf für meine Pfarrei und für die, die lieb und teuer sind.“ (Putz: Leben als Eucharistie, 17)

Dieses große Glaubenszeugnis ist ebenso ein überwältigendes Liebeszeugnis. Der Kölner Weihbischof Melzer formulierte es einmal so: „Lebendige Gegenwart der Liebe, das ist ein anderes Wort für Eucharistie.“

Amen.