Liebe Schwestern und Brüder,
der heilige Paulus macht den Christen in Korinth zuerst Mut, indem er schreibt: „Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.“ (1 Kor 1,9)
Dann aber folgt die Ermahnung auf dem Fuß, die uns Heutigen genau so gilt: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung.“ (1 Kor 1,10)
Spaltungen innerhalb der Christenheit tun weh und sollten als Stachel im Fleisch der Kirche empfunden werden, denn Christus lässt sich nicht teilen. Die eine Taufe verbindet uns so wie der gemeinsame Glaube an Jesus, den Christus.
Im Jahre 2012 wurde in Trier die Herrenreliquie, der Heilige Rock, ausgestellt. Wir Katholiken sehen in dieser Tunica den vom Evangelisten Johannes erwähnten nahtlosen Rock Jesu Christi.
Mir geht es hier nun weniger um das Nachvollziehen einer historischen Berichterstattung und Aufweis der Echtheit des Trierer Heiligen Rockes als vielmehr um die Sinnerschließung:
Im nahtlosen Gewand Jesu hat schon der Kirchenvater Cyprian von Karthago (+258) ein Symbol für die Einheit der Kirche gesehen.
Und auch Hieronymus (+ 420) sieht im Auseinanderdriften der Kirche im Orient eine Zerstörung der „unzerrissenen von oben her gewebten Tunika des Herrn in Einzelteile.“ (Vgl. Brief an Papst Damasus)
So dürfen auch wir heute den Leibrock Jesu als Symbol für die Einheit der Kirche sehen.
Kardinal Cassidy hat vor Jahren als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen in Trier gesagt, dass „heute (der Leibrock Jesu) in Fetzen und Stücken, in Konfessionen und Denominationen, die sich in der Geschichte oft gegenseitig bekämpften, anstatt den Auftrag des Herrn zu erfüllen, eins zu sein“ zerteilt sei. (Kardinal Kurt Koch: Das gemeinsame Ziel erkennen. In: Die Tagespost, 23.02.2012, S. 7)
Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, das zusammenzuführen, was getrennt ist. Das Leid der getrennten Christen, das sich oft auch in konfessionsverschiedenen Familien abspielt, darf nicht einfach so hingenommen werden. Wir müssen nach Wegen suchen, die Einheit des Leibes Christi wieder herzustellen.
Kardinal Koch schrieb zum Leitwort der letzten Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier: „Während von nicht wenigen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften die ökumenische Einheit bereits in der gegenseitigen Anerkennung der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gesehen wird, hält demgegenüber die katholische Kirche zusammen mit den orthodoxen Kirchen an der ursprünglichen ökumenischen Zielvorstellung einer sichtbaren Einheit im gemeinsamen Glauben, in den Sakramenten und in den kirchlichen Ämtern fest, wie Papst Benedikt XVI. unlängst mit klaren Worten ausgesprochen hat: ‚Die Suche nach der Wiederherstellung der Einheit unter den gespaltenen Christen darf sich … nicht auf die Anerkennung der jeweiligen Unterschiede und das Erreichen eines friedlichen Zusammenlebens beschränken.’“ (Ebd.)
Hier sind wir alle gefragt. Wir sind – so denke ich – auf dem richtigen Weg. Aber der Weg ist noch nicht das Ziel.
Ein wichtiger Wegweiser scheint mir das Kreuz Christi zu sein, das nun über fast 2000 Jahre hinweg in unserer Welt seine ihm eigene Kraft entfaltet. Dem Kreuz nachfolgen heißt, den Menschen auf ihren Kreuzwegen beizustehen und die Kreuze der anderen mit tragen zu helfen, denn im Zeichen des Kreuzes als Siegeszeichen, liegt unsere Hoffnung.
So müssen wir heute weiterhin alles tun, um die vorhandenen Spaltungen zu überwinden und nicht neue Spaltungen hinzukommen zu lassen. Es geht dringlich um die Suche nach einer gemeinsamen Sprache – zum Beispiel in ethischen Fragen. Es geht aber auch um das gemeinsame Beten mit der Bitte an den Herrn um Einheit im Glauben, damit wir in dieser säkularer werdenden Welt das Zeugnis Jesu Christi, unseres Herrn, nicht noch mehr verdunkeln. Amen.