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„Liebe, von der Jesus spricht, nicht nur Gefühl, sondern Tat“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Sonntag, 21. Mai, in der Würzburger Karmelitenkirche beim Gottesdienst mit Segnung der Theresienkapelle

Lieber Pater Provinzial Dr. Dobhan, liebe Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft, Frau Dr. Seifert, lieber Pater Dennebaum, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

wir sind hier in einer besonderen Kirche, der Karmelitenkirche, die von dem rheinischen Künstler Paul Nagel einheitlich ausgestaltet wurde. Er hat bis zu seinem Tod am 24. März 2016 über 40 Jahre hinweg den gesamten Kirchenraum mit Altar und Baldachin, mit den Figuren und Gemälden, mit den Schriftzügen und Gittern gestaltet.

Es war ihm dabei immer ein besonderes Anliegen, uns im Blick auf die Heiligen als pilgerndes Gottesvolk, das auf dem Weg zur Vollendung ist, einzubeziehen. Weil ich mit ihm befreundet war, erlebte ich seine tiefe Gläubigkeit, die in dem bekannten Zitat ihren treffenden Ausdruck fand: „Die Welt ist wunderbar erschaffen, aber noch wunderbarer erneuert worden.“

Der faszinierend schöne Altar mit dem ihn überwölbenden Baldachin und mit dem in der Mitte des großen Altarwandbildes befindlichen Tabernakel bilden das Herzstück: sozusagen das Angeld auf das himmlische Jerusalem. Aber es hatten ihm auch Thérèse von Lisieux und Teresia Benedicta a Cruce – die heilige Edith Stein – angetan.

Heute wird die Theresienkapelle, die der heiligen Thérèse von Lisieux gewidmet ist, gesegnet. Zunächst war diese erste rechte Seitenkapelle nur mit der Bronzefigur der heiligen Thérèse vor einem rotfarbenen Marmorretabel mit stilisiertem Laubwerk gestaltet. Sie war mit dem programmatischen Satz „Ave crux, decor Carmeli“ überschrieben.

Gegenüber den später gestalteten Kapellen der heiligen Edith Stein und des Prager Jesuleins fiel sie ab – oder besser gesagt – war sie noch nicht endgültig ausgestaltet. Deshalb hat der Künstler das Wandbild über der Bronzestatue entworfen, das nach seinem Tode der französische Künstler Alain Creunier, der schon maßgeblich mit an dem großen Altarwandgemälde und der Edith-Stein-Kapelle gearbeitet hatte, ausgeführt.

Die von Paul Nagel entworfene malerische Konzeption zeigt oberhalb der Theresien-Statue in der Mitte Christus als den Pantokrator, von uns aus gesehen zu seiner Rechten die heilige Thérèse von Lisieux mit ihren Eltern und auf der anderen Seite ihre leiblichen Schwestern: Agnes, Marie und Genoveva, die ebenfalls in den Karmel von Lisieux eingetreten waren. In der Mitte ist ihre Schwester Leonie zu sehen, die Heimsuchungsschwester geworden war. Zu Füßen des Pantokrators spielen die verstorbenen Geschwister der heiligen Thérèse.

Rechts und links des mittleren Retabels hält je ein Engel Buchrollen mit Texten aus ihrer Selbstbiografie. Wir dürfen mit großer Dankbarkeit sagen, dass hiermit nach 40 langen Jahren das Lebenswerk des Künstlers Paul Nagel abgeschlossen ist. Nur ganz selten erleben wir ein Gesamtkunstwerk, das über einen solch langen Zeitraum aus einer künstlerischen Hand geschaffen wurde.

Dank gilt es aber auch den Karmeliten der Reuererkirche zu sagen, die ebenfalls diesen langen Atem hatten und ein solches Werk gedeihen ließen. Dankbar sein dürfen wir auch dafür, dass ebenfalls die Philosophin und spätere Heilige Edith Stein hier eine eigene Kapelle – gegenüber der Kapelle der Thérèse von Lisieux – gewidmet bekommen hat. Hier sehen wir die heilige Teresia Benedicta a Cruce, wie sie mit dem Kreuz und der Thorarolle in den Händen beherzt auf die Gaskammern von Auschwitz zugeht. Eine ähnliche Statue des Künstlers Paul Nagel – allerdings nicht aus Bronze, sondern aus Carraramarmor - steht in einer Außenwandnische an Sankt Peter in Rom.

Auf dem letzten Kassiber, das die heilige Edith Stein aus dem Auffanglager für jüdische Christen in Westerbork, den Niederlanden, an ihre Priorin im Karmel zu Echt geschickt hatte, stand: „Ave crux – spes unica – Sei gegrüßt Kreuz – einzige Hoffnung“. Diesen Satz habe ich mir bei meiner Bischofsweihe vor 25 Jahren als Leitsatz gewählt.

Edith Stein, von Hause aus Jüdin, sensibel und wissensdurstig, ging schon in früher Jugend ihre eigenen Wege. Sie entzog sich, sicherlich zum Leidwesen von Frau Stein, schon als junges Mädchen der mütterlichen Erziehung. Besonders muss die Mutter geschmerzt haben, dass sie schon früh den ererbten Glauben verloren hatte. Ihr wacher Geist, der sie umtrieb und in der Wissenschaft die tiefere Wahrheit suchen ließ, führte sie zum Studium der Phänomenologie bei Professor Edmund Husserl. Als seine Assistentin erlernte sie nicht nur das wissenschaftliche Grundmaterial, sondern auch das Rüstzeug zur Wahrheitssuche. Die Begegnung mit christlichen Kommilitoninnen und Kommilitonen führte sie auf die Spur des christlichen Glaubens, mit dem sie sich genauso ernst auseinandersetzte wie mit ihrem wissenschaftlichen Studium. Überzeugt hat sie das im Alltag erprobte christliche Lebenszeugnis ihrer evangelischen und katholischen Freundinnen und Freunde, besonders aber auch das ungewöhnliche Lebenszeugnis der heiligen Theresa von Avila.

Der überaus spannungsreiche Weg zur Konversion und zum Eintritt in den Kölner Karmel – der sie auch mehrmals mit Würzburg in Berührung brachte – hat sie ihre jüdischen Wurzeln nie vergessen lassen. Sie blieb ihrer Mutter, der sie mit der Taufe und erst recht mit dem Eintritt ins Kloster große Schmerzen bereitete, auf das herzlichste verbunden.

Das Bewundernswerte an dieser Frau ist für mich der ungebrochene Wille, die eigenen Talente trotz vehementer Beschränkung auszuschöpfen und konsequent für andere einzusetzen. Dazu gehörte sicherlich der starke Wille, sich als Christin und Ordensfrau mit der Kreuzestheologie zu beschäftigen, ein Thema, das gerade für sie als christliche Jüdin eine besondere Herausforderung darstellte. Sie übersetzte nicht nur die entsprechenden Schriften des heiligen Johannes vom Kreuz aus dem Spanischen in das Deutsche, sondern ging auch konsequenterweise den eigenen Kreuzweg in die Gaskammer von Auschwitz mit den Worten an ihre ebenfalls katholisch gewordene Schwester Rosa: „Komm, wir gehen für unser Volk!“ Das Evangelium des heutigen Sonntags verweist uns darauf, dass Liebe, von der Jesus spricht, nicht nur Gefühl ist, sondern Tat. Die heilige Edith Stein hat dies auf dem Weg in die Gaskammern überzeugend vorgelebt.

Uns wird hoffentlich ein so schwieriger Nachfolgeweg erspart. Aber auch wir werden aufgefordert, im Blick auf den Heiligen Geist auf Gottes Vorleistung mit Liebe zu antworten. Eine Liebe, die nicht nur Erfüllung von Pflichten ist, sondern die uns befähigt, die Früchte des Heiligen Geistes zu empfangen. Das sind: Freude und Kraft Gottes sowie die Weite und Fülle Gottes. 

Die heiligen Karmel-Frauen haben dies uns vorgelebt. Lasst auch uns die Gaben Gottes dankbar annehmen. Amen.