Würzburg (POW) Gewalt und Aggression sind ein Zeichen von Hoffnungslosigkeit und Resignation. „Wer wirkliche Veränderung will, muss den langen Atem mitbringen und versuchen, in Ausdauer Prozesse miteinander zu gestalten.“ Das hat Bischof Dr. Franz Jung beim Pontifikalgottesdienst zur Eröffnung der Kiliani-Wallfahrtswoche 2020 im Würzburger Kiliansdom betont. Das gelte im Blick auf eine Reform der Kirche genauso wie in der Ökumene, für den gesellschaftlichen Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und für das Erreichen der Klimaziele. An der Seite von Bischof Jung zelebrierten Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann und Weihbischof Ulrich Boom.
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Coronabedingt gab es diesmal keine Reliquienprozession von Sankt Burkard in den Dom. Stattdessen wurde der Schrein mit den Häuptern der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan zu Beginn des Gottesdiensts aus dem Altar geholt und auf der Treppe zum Altarbereich zur Verehrung aufgestellt. Neben dem Vorstand des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg nahmen auch Unterfrankens Regierungspräsident Eugen Ehmann, Würzburgs Bürgermeister Martin Heilig sowie Familiaren des Deutschordens, Ritter vom Heiligen Grab sowie Studentenverbindungen an dem Gottesdienst teil. Aufgrund der Abstandsregelungen waren die Sitzplätze im Dom limitiert. Die Feier wurde im Fernsehprogramm von Bibel TV und TV Mainfranken sowie auf dem YouTube-Kanal des Bistums live übertragen.
In seiner Predigt nahm der Bischof Bezug auf ein Wort aus dem Epheserbrief, das er für das Bistum Würzburg als Jahresmotto ausgewählt hat. Darin spricht Paulus davon, „die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe“ der Liebe Christi zu ermessen. „Jede Zeit und jede Generation ist aufgerufen, diesen geistlichen Raum und diese geistliche Geographie neu auszuloten.“ Das gelte insbesondere für das laufende Jahr, in dem die Pastoralen Räume im Bistum festgelegt werden sollen, aber auch für die folgenden Jahre, in denen diese Räume mit Leben gefüllt werden müssen. Die Frankenapostel seien hilfreiche Wegbegleiter. „Sie brachen aus Irland auf, getrieben von der Sehnsucht, der Liebe Christi Raum zu geben“, sagte Bischof Jung.
Wie der Bischof weiter ausführte, ist es wichtig, das eigene Leben immer wieder im Gebet vor Gott zu bringen. „Nur im wachen Wahrnehmen seiner Gegenwart kann ich erfahren, was Gott von mir will und wohin er mich ruft.“ Früher bezeichnete man die richtige Haltung mit „Hochgemutheit“, nicht zu verwechseln mit dem inhaltlich gegensätzlichen Hochmut. „Hinter diesem Wort verbirgt sich die Haltung, in der ich von Gott etwas erwarte und die mich dann auch dazu befähigt, mein eigenes Leben zu ändern und mir Großes zuzutrauen, wenn ich merke, dass Gott mich ruft.“
Die Kirche sei aufgerufen, im Sozialraum der Menschen zu arbeiten sowie eine caritative Pastoral und eine pastorale Caritas zu leben. „Erst der Blick auf die konkrete Not hilft uns erkennen, wohin der Herr uns ruft.“ Das verlange die innere Haltung des Wagemuts, um hinzuschauen, wo Hilfe fehlt, Missstände offen zu benennen und beherzt anzupacken. Die Coronatage seien eine gute Übung hierfür gewesen, sagte Bischof Jung. „Sie haben schlagartig deutlich gemacht, was wir alle längst schon wussten, aber nie richtig wissen wollten: Dass unser Gesundheitssystem auf Kante genäht ist und dass wesentliche Dienstleistungen viel zu gering bewertet sind. Dass falsche Anreize in der Wirtschaft zu unmenschlichen Arbeitsverhältnissen führen und zu regelrechter Ausbeutung. Dass die Einsamkeit in unserer direkten Umgebung groß ist und dass viele Menschen der Nähe und Begleitung bedürfen.“
Zudem gelte es, die Unerlöstheit der Welt wahrzunehmen. Das treffe auch auf die Kirche selbst zu und sei Thema des Synodalen Wegs. „Wie gehen wir als Kirche mit dem Versagen angesichts des Missbrauchs um und wird es uns gelingen, einen Weg zusammen mit den Betroffenen zu gehen, um aufzuarbeiten, was geschehen ist, und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen? Wie können Partizipation und Beteiligung der Gläubigen verbessert werden?“ Bischof Jung erinnerte auch an die globalen Krisen der Gegenwart wie den Klimawandel und die weltweiten Migrationsbewegungen, die dadurch ausgelöst würden. Die Coronakrise treffe insbesondere die ärmeren Länder, wie auch die beiden Partnerbistümer in Brasilien und Tansania, nicht nur wegen der masssiven gesundheitlichen Folgen. Sie werfe auch die Wirtschaft dort um Jahre zurück. Deutlich kritisierte der Bischof die Polarisierung in der Gesellschaft, die sich in einer verrohenden Kommunikation und der Pflege von Feindbildern und Verschwörungstheorien manifestiere.
In der Offenbarung des Johannes vermesse ein Engel Gottes die heilige Stadt Jerusalem mit einem goldenen Messstab. Dieser Engel möge die Gläubigen erinnern, an die Grenzen des Menschenmaßes zu gehen und sich daran zu erinnern, dass Gott jeden Einzelnen einst mit dem Maß messe, mit dem dieser andere messe. „Nur so werden wir in der Lage sein, zusammen mit allen Heiligen die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe der Liebe Christi zu ermessen“, sagte Bischof Jung.
Für die musikalische Gestaltung des Gottesdiensts sorgten Ensembles der Mädchenkantorei und der Domsingknaben unter der Leitung von Domkapellmeister Professor Christian Schmid und Domkantor Alexander Rüth sowie Domorganist Professor Stefan Schmidt.
mh (POW)
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