Würzburg (POW) Es sind vermutlich die belastendsten Tage im Jahr für die rund 550 Frauen, Männer und Jugendlichen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg: Während andere zuhause bei ihren Familien um den Christbaum feiern, sitzen sie an Heiligabend und an den Weihnachtsfeiertagen oft einsam hinter verschlossenen Türen in ihren Zellen. Ein kleiner Lichtblick ist die ökumenische Christvesper. In diesem Jahr ist Bischof Dr. Friedhelm Hofmann einen Tag vor Heiligabend hinter die sechs Meter hohen Mauern der JVA gekommen, um mit den Gefangenen die Geburt Jesu zu feiern.
„Viele Gefangene sind in diesen Tagen besonders bedrückt, vor allem diejenigen, die diese Zeit zum ersten Mal in der JVA erleben“, beschreibt der katholische Gefängnisseelsorger Pfarrer Matthias Leineweber die Stimmung hinter Gittern an Weihnachten. Familie und Freunde könnten in dieser Zeit nur eingeschränkt zu Besuch zugelassen werden. Weil zudem die JVA-Betriebe wegen der Feiertage geschlossen seien, entstehe viel Leerlauf. „Dann fühlen sich viele schmerzhaft auf ihre Einsamkeit zurückgeworfen“, erklärt Leineweber.
Zu Beginn des Weihnachtsgottesdienstes kurz vor Heiligabend bringen die Pfadfinder der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) aus Würzburg-Lengfeld das Friedenslicht von Betlehem. „Gott macht uns Mut. Es gibt ein Licht auch in der tiefsten Finsternis“, sagt Pfarrer Leineweber, während ein Pfadfinder mit der Flamme aus dem Heiligen Land eine Kerze an der Krippe entzündet. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie schwierig das Weihnachtsfest für viele von Ihnen hier ist“, ruft Bischof Hofmann in seiner Predigt den Gefangenen zu. Mitunter falle es schwer, das Licht in der Welt zu sehen, weil einem der Blick durch die Umstände versperrt sei. „Gott ist für jeden einzelnen von uns Mensch geworden.“ Daher dürfe jeder die Gewissheit haben: „Ich bin wertvoll, ich bin geliebt.“ Zum Schluss seiner kurzen Ansprache gibt der Bischof den Frauen und Männern noch mit auf den Weg: „Ich wünsche Ihnen, dass Sie an Weihnachten dieses Licht in sich spüren.“
Die Fürbitten, die Josef Gerspitzer mit Gefangenen vorbereitet hat, bringen zur Sprache, was die Menschen hinter Gittern bewegt: Sie beten unter anderem für Menschen, die von ihrer Familie getrennt sind, die einsam und ausgegrenzt sind, für die Opfer von Krieg und Vertreibung, für die Verantwortlichen in Justiz und Gesellschaft sowie für die Verstorbenen. Musikalisch engagieren sich zahlreiche Frauen und Männer für den weihnachtlichen Gottesdienst: der Frauen- und der Männerchor der JVA Würzburg und der CVJM-Posaunenchor Würzburg. Die evangelische Gefängnisseelsorgerin Pfarrerin Hannah Friedlein hält die Lesung. Die katholische Pastoralreferentin Doris Schäfer und Inge Schömig vom ehrenamtlichen Besuchsdienst tragen das Weihnachtsevangelium vor. Zahlreiche Ehrenamtliche, die sich in der Würzburger JVA engagieren, feiern die Vesper mit. Prominenter Gast ist JVA-Chef Robert Hutter. Dieser wünscht den Gefangenen ein frohes Weihnachtsfest und dankt ihnen für die Spende im Sommer, mit der diese eine von Pastoralreferentin Schäfer initiierte Hilfslieferung an Hygieneartikeln für das Gefängnis von Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, finanziert haben. „Diese vorbildliche Aktion werde ich nicht vergessen“, sagt Hutter.
„Transeamus usque Betlehem“, erklingt zu Beginn der Feier, dazwischen „O du fröhliche“, „Nun freut euch, ihr Christen“ und „Stern über Betlehem“ sowie ein Solostück, das ein ungarischer Häftling in seiner Muttersprache singt. Spürbar ergriffen sind die Frauen und Männer am Ende des Gottesdienstes, als „Stille Nacht“ angestimmt wird: Manche Träne rollt über die Wangen. Doch die emotional aufgeladene Stimmung schlägt schnell wieder um: Das „Stille Nacht“ ist noch nicht verhallt, da heißt es für die Gefangenen: Antreten zum Gang in die Zelle. Dort wartet eine einsame, schwierige Weihnacht hinter Gittern. Ein Trost mag vielleicht das Geschenkpäckchen von den Angehörigen oder von der katholischen und evangelischen Gefängnisseelsorge sein – und die Botschaft der Christvesper: „Das Licht von Betlehem scheint auch in der einsamsten Zelle.“
mh (POW)
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