Würzburg (POW) Einen Appell zum selbstlosen Einsatz für den Nächsten hat Bischof Dr. Franz Jung am Montagabend, 9. Juli, an die in Kirche und Politik engagierten Frauen und Männer gerichtet. Die Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan hätten bei ihrem Missionseinsatz nichts für sich gewollt. „Handeln wir so, dass deutlich wird, wir wollen nichts für uns, sondern wir sind wirklich für die anderen da und bereit, für die anderen in Vorleistung zu treten? Oder müssen wir uns – Politik und Kirche – den Vorwurf gefallen lassen: Ihr macht das nur, damit Ihr gut rauskommt? Wenn dieser Eindruck entstünde, wäre unsere Mission als Kirche, auch in der Politik, schnell korrumpiert.“ Ausdrücklich dankte der Bischof den 1100 Frauen und Männern aus dem gesamten Bistum beim Kiliani-Pontifikalgottesdienst für Räte und Politiker für ihr Engagement in Kirche und Gesellschaft. Unter anderem feierten Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Günther Felbinger, Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer, Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Kitzingens Landrätin Tamara Bischof den Gottesdienst mit. Allein 220 Personen reisten mit vier vom Diözesanbüro Bad Neustadt organisierten Reisebussen aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld nach Würzburg.
In seiner Predigt kritisierte Bischof Jung die derzeitigen Abschottungstendenzen in Europa. Die Frankenapostel hätten ganz bewusst ihre kleine Insel Irland verlassen, um anderen Anteil zu geben an der Hoffnung, die sie selbst trägt. „Man könnte sagen: Kilian und seine Gefährten gehörten zu den ersten überzeugten Europäern. Wir erleben derzeit ein Europa, das so ganz anders tickt. Der ursprüngliche Plan eines Europa als große Solidargemeinschaft scheint zu erlahmen.“ Das sei genau das Gegenteil dessen, was Kilian, Kolonat und Totnan vorgelebt hätten. „Und auch in unserer Kirche erleben wir das in pastoralen Prozessen. Der eigene Kirchturm ist einem immer näher als der Nachbar und man denkt erst einmal für sich und nicht für den Nachbarn.“
Die irischen Missionare seien aufgebrochen, weil sie den Glauben an den dreieinen Gott verkünden und die falschen Götzen entlarven wollten, die den Menschen Angst machten. „Wir erleben das derzeit in der politischen Diskussion, wie Ängste geschürt werden, wie politische Probleme, auch gerade im Umfeld der Asylfrage, verkürzt werden, nur auf Sicherheitsaspekte und Terrorismus. Wie Menschen auf einmal Angst bekommen und wie man mit den Ängsten der Menschen spielt. Wie nicht das Beste aus den Menschen herausgeholt wird, sondern ihre Ressentiments geschürt werden.“ Kilian, Kolonat und Totnan erinnerten die Menschen heute daran, dass der Glaube das Beste, die Liebe, im Menschen freilege, um für andere da zu sein. „Das ist die eigentliche Mission: Immer wieder die Götzen, die sich in unserem Leben erheben und die uns Angst machen, als solche zu entlarven und den Weg zu ebnen für den wahren Glauben.“
Als sie in Richtung Franken aufbrachen, hätten Kilian und die Gefährten alles hinter sich gelassen. „Sie haben die Brücken hinter sich abgebrochen und es wurde deutlich: Wir wollen nichts für uns. Wir sind bereit, für andere alles aufzugeben, was wir haben.“ Die Frankenapostel wollten nichts für sich, betonte der Bischof. „Ein leuchtendes Beispiel in unseren Tagen.“
Das Martyrium Kilians, Kolonats und Totnans und die Wahrheitsfrage sind nach den Worten von Bischof Jung unlösbar miteinander verbunden. „Es waren Menschen, die für eine Wahrheit angetreten sind, die bereit waren, für diese Wahrheit zu kämpfen und am Ende auch für diese Wahrheit in den Tod gegangen sind.“ Wenn in der Kirche von Würzburg in den kommenden Jahren darüber diskutiert werde, wie es mit dem Bistum weitergehen könne, werde es wichtig sein, alle Probleme beim Namen zu nennen. Es gelte, in großer Wahrhaftigkeit immer wieder zu fragen: „Über was müssen wir diskutieren? Wie kann das gut funktionieren, dass keiner den Eindruck hat, er wird übergangen oder es wird ihm nicht alles gesagt, was jetzt kommt?“ Nur so könne Vertrauen geschaffen werden. In der politischen Diskussion der vergangenen Jahre sei oft der Eindruck entstanden, dass nicht immer alle Fakten auf den Tisch gelegt wurden. „Ein fataler Eindruck, der radikale Kräfte auf einmal stark machte, die dann für sich behaupteten: Wir legen die Wahrheit offen, die die anderen nicht offenlegen.“ Wahrheit und Wahrhaftigkeit seien ein echter Anspruch und eine große Verpflichtung, betonte der Bischof. „Kilian, Kolonat und Totnan waren wahrhaft und wahrhaftig bis zum Schluss.“
Die anschließende Begegnung auf dem Kiliansplatz nutzten die Gottesdienstbesucher, mit dem neuen Bischof, aber auch Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann, Weihbischof Ulrich Boom, Generalvikar Thomas Keßler und zahlreichen Domkapitularen zu sprechen. Geduldig posierte Bischof Jung bis spät am Abend für Selfies und schrieb Autogramme in die kostenlos verteilte Broschüre über seine Bischofsweihe.
Ein geradezu überschwängliches Fazit des Abends zog Landtagspräsidentin Stamm „Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen ist es gut und wichtig, dass Politiker, Geistliche und kirchliche Ehrenamtliche miteinander reden. Von daher ist diese Veranstaltung in der Wallfahrtswoche eine gute und wichtige Tradition, die man erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe.“ Die von Bischof Jung kritisierte Abschottungstendenz in Europa wollte die Landtagspräsidentin nicht kommentieren. „Ich bin nur für das verantwortlich, was ich selbst sage.“
Eibelstadts Bürgermeister Markus Schenk lobte die klaren Worte des Bischofs. „Es hat mir sehr gut gefallen, dass er Wahrheit und Liebe als zentrale Botschaften thematisiert hat.“ Das ermuntere, nicht gleich bei jedem Gegenwind nachzulassen. Peter Wolf, der in Eibelstadt Kirchenpfleger und Stadtrat ist, lobte den Aufruf zum solidarischen und selbstlosen Handeln. „Das ist gerade in der aktuellen Zeit wichtiger denn je.“
„Ich fand es gut, dass der Bischof deutlich gemacht hat, was wir aus der Bistumsgeschichte für die heutige Zeit lernen können“, sagte Diözesanratsvorsitzender Karl-Peter Büttner. Andrea Czech, die ebenfalls dem Diözesanrat angehört, zeigte sich begeistert, dass der Bischof deutlich, aber ohne Aggression aktuelle Missstände benannt und zugleich Lösungsvorschläge aufgezeigt habe.
Für Joachim Bieber, langjähriger Bürgermeister von Miltenberg, war die Predigt „perfekt auf das Publikum zugeschnitten“. Der Bischof habe es verstanden, gut verständlich und ohne „hohe und schwer verständliche Theologie“ seine Inhalte zu verdeutlichen. „Ich bin sehr beeindruckt“, sagte Bruno Altrichter, Bürgermeister von Bad Neustadt. Der neue Bischof habe eine hervorragende Predigt abgeliefert, sehr schön gesungen und sei sprachlich bestens verständlich.
Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer lobte „die direkte Ansprache“ und die Art, wie Bischof Jung aktuelle Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft präzise beleuchte. Kirchenpfleger Hans Dieter Arnold aus Miltenberg erklärte, er nehme inhaltlich aus dem Gottesdienst mit, dass es wichtiger denn je sei, Einsatz für das Miteinander zu bringen.
mh (POW)
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