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„Als Christen in diese Welt einbringen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Vesper des Gesprächsforums der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag, 11. September 2015 in der Würzburger Pfarrkirche Sankt Gertraud

Liebe Schwestern und Brüder,

das einzig Sichere, das wir von einem Neugeborenen sagen können, ist, dass es sterben wird. Jeder Mensch erhofft sich ein erfülltes Leben; ein Leben in Freude und Wohlergehen. Oft aber sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Unser Leben besteht nicht nur aus Glücks- sondern auch aus Leiderfahrung. Deshalb bleibt die oft unausgesprochene Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden möge. Gerade in diesen Tagen erleben wir in den anschwellenden Flüchtlingstracks, dass viele Menschen aus blanker Existenzangst heraus schwierigste Wege auf sich nehmen, um Zukunftsperspektiven zu gewinnen. Doch nicht nur bei dem Einzelnen richten sich die Fragen auf die Zukunft hin. Auch die ganze Menschheit fragt nach dem Wohin, nach der Zukunft.

Die zurzeit in Venedig stattfindende 56. Biennale hat als großes Thema die Frage nach der Zukunft der Menschheit. Der Originaltitel lautet „All the World’s Futures“. Gerade in diesem Jahr, in dem man der ersten Ausstellung in Venedig vor genau 120 Jahren gedenkt, haben sich 136 Künstler aus 53 Ländern diesem Thema gewidmet. Drei unterbrechende Filter – namentlich „Der Garten der Unordnung“, der Begriff „Leblosigkeit: in Epische(r) Dauer“ und „das Herunterlesen des Marx’schen Kapitals“ – repräsentieren eine Konstellation von Parametern, die schon die ganz unterschiedlichen Ansätze heutiger Zukunftssicht deutlich machen. Hiermit soll der latent vorhandene historische Corpus der Ausstellung markiert werden, die in großen Teilen Morbidität und Untergang signalisiert. Wie in einem Orchester werden Erfahrungen der Vergangenheit mit Zukunftsentwürfen präsentiert.

Sowohl Harmonie, Proportionen und Ästhetik, die indirekt von Gottes ordnender Hand künden, als auch Arbeiten, die auf Kälte, Leere und Trostlosigkeit verweisen, füllen die Ausstellungshallen und die Gärten. Kaum eine Arbeit zeigt die christliche Sicht von Zukunft, die sich in die Ewigkeitsperspektive weitet und die sich z.B. in der Offenbarung des Sehers von Patmos in menschliche Sprachbilder gießt und die Zukunft der Erde als Vorbereitung auf den neuen Himmel und die neue Erde deutet.

Dafür wird umso mehr das aktuelle Thema der Flüchtlingsproblematik angesprochen. Ungeborgenheit, Heimatlosigkeit und Leiderfahrung lassen viele Menschen unbehaust sein. Eine junge Frau aus Eritrea beschreibt zum Beispiel ihre Reise nach Deutschland. Und in ihrem Einzelbeispiel gewinnt die ganze Problematik ein Gesicht: „Wir mögen die Wahrheit sagen wollen, aber Fakt ist, dass die Wahrheit nicht immer schön ist; sehr oft ist sie schockierend und unschön. Wir Menschen treten in die Welt ein, um zu leben, zu träumen und froh zu sein, aber oft können wir unter den herrschenden Umständen in unserem Land, in das wir hinein geboren wurden, unmöglich leben und so müssen wir kämpfen, um das, was jetzt geschieht, zu erreichen“ Nun führt sie ihre Flucht als die Reise der Hoffnung mit allem fürchterlich Erlebten aus. Sie sieht - wie viele Emigranten - Deutschland als das Gelobte Land an.

Zum Glück engagieren sich viele unserer Mitchristen, die Flüchtlingsproblematik einigermaßen zu bewältigen. Sie tun dies auch aus unserer Sicht christlicher Nächstenliebe, die die Gottesliebe erst vollendet.

Aber genügt das? Müssen wir als Christen nicht auch die weitergehende Perspektive der Beheimatung und Vollendung unseres Lebens in Gott deutlicher machen? Ist es nicht überlebensnotwendig auch von der menschgewordenen Liebe Gottes zu sprechen, von der wir gerade im Titusbrief hörten? Gott ist durch Jesus Christus in unsere Geschichte eingetreten als Retter – nicht auf Grund unserer Werke, sondern weil er uns liebt – jede und jeden Einzelnen.

Das versuchen wir uns gegenseitig in diesem Dialogprozess ja auch deutlich zu machen. Denn aus dieser Hoffnung heraus erkennen wir, dass wir durch Gottes Gnade befähigt werden, uns als Christen in diese Welt einzubringen - eben auch aus der Perspektive auf unsere Vollendung im Ewigen Leben.

Wer mit beiden Beinen auf der Erde stehen will, – denke ich – muss schon jetzt sein Herz auf den Himmel ausrichten. Dann kann er – allen Menschen gegenüber – unterschiedslos und ausnahmslos die Liebe Gottes verkünden und leben – heute, hier und jetzt. Amen.