Liebe Mitbrüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst,
verehrte liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
im Jahre 2012 fand in Irland der 50. Internationale Eucharistische Weltkongress statt. Es war genau das 50. Jahr nach der Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils. Der Eucharistische Kongress in Dublin nahm den Grundgedanken dieses Konzils im Leitwort „Die Eucharistie – Communio mit Christus und untereinander“ auf. Mit großer Freude dürfen wir sagen, dass das Zweite Vatikanische Konzil ein geradezu pfingstliches Ereignis war. Der inzwischen heilig gesprochene Papst Johannes XXIII. wollte die Fenster der Kirche weit aufstoßen und den heutigen Menschen neu mit der Botschaft Jesu Christi in Berührung bringen. Dabei spielte der Communio-Gedanke, d.h. der Hinweis auf die Gemeinschaft mit Christus und untereinander, eine große Rolle. Ja, geradezu wurde eine Communio-Ekklesiologie entwickelt, die das Volk Gottes als Pilger in gemeinsamer Verantwortung auf dem Weg zum großen Ziel herausstellt.
Wir alle wissen um die Probleme, denen wir uns in der Kirche seitdem ausgesetzt sehen. Ich brauche sie hier nicht eigens aufzuzählen. Die uns alle am heutigen Fronleichnams-Festtag bewegende Wahrheit, dass Christus nicht nur mitten unter uns ist, sondern in uns eingeht, darf und soll uns mit Freude erfüllen.
In den Lesungen wurden uns Gottes Heilswege entschlüsselt: Mose, von Gott berufen, sein Volk aus der Gefangenschaft in die Freiheit zu führen, erlebte oft massiven Widerstand. Teile des Gottesvolkes Israel zweifelten offensichtlich an der schwierigen, 40 Jahre dauernden Wüstenwanderung. Hunger und Durst plagten das Volk, das manchmal lieber an den Fleischtöpfen Ägyptens geblieben wäre als auf einem ungewissen Weg in die Zukunft. Mose mahnt das Volk nicht zu vergessen, dass Gott es mit Manna – Brot vom Himmel wie wir sagen – genährt und mit Wasser aus dem Felsen den Durst gestillt habe.
Wie oft erfahren auch wir ganz persönlich Gottes helfendes Eingreifen in unserem Leben und vergessen es doch kurze Zeit später wieder. (Ich erinnere nur an das Sonnenwunder in Fatima im Jahre 1917. Tausende Pilger erlebten am 13. Oktober 1917 auf der Cova da Iria, wie die Sonne minutenlang um sich kreiste und Feuergarben verströmte. Die von Regen durchnässten Pilger waren in kürzester Zeit völlig trocken. Viele – auch internationale – Zeitungen berichteten wenige Tage später von diesem Sonnenwunder. Aber wer weiß heute noch etwas davon? Auch das ungeheuerlichste Eingreifen Gottes, das alle Menschen miterleben könnten, würde nichts daran ändern, dass schon in kürzester Zeit Zweifel geäußert würden, die alles Geschehene infrage stellen würden.
Wer kann die Gegenwart Christi in der Eucharistie wirklich erfassen? In dem großen uns benachbarten Wallfahrtsort Walldürn hat sich 1330 bei dem Priester Heinrich Otto das Blutwunder ereignet, das auch heute noch tausende Pilger anzieht. Doch, wie steht die Allgemeinheit dazu? Der Priester hatte aus Unachtsamkeit den Kelch mit dem Blut Christi umgestoßen. Da färbte sich der Wein rot wie Blut und es formten sich eigenartiger weise um die Gestalt des Gekreuzigten in der Mitte sogenannte kleine ‚Veronicae’. Heute ist dieses Corporale, das schon mehrfach untersucht wurde, als Heilig-Blut-Reliquie in Walldürn zu sehen.
Der heilige Paulus ermahnte im soeben gehörten ersten Korintherbrief die Gläubigen, in dem gewandelten Brot, das wir brechen, die Teilhabe am Leib Christi zu sehen. Er ist der Leib, wir sind die Glieder. Aber weil es sich um das e i n e Brot handelt sind wir viele e i n Leib. Das gleiche können wir vom Blut Christi sagen: Der Wein wurde aus vielen Trauben gekeltert. Wir, die vielen, haben Teil an dem einen Kelch Christi.
Christus lässt uns nicht nur an seinem Leib und Blut teilhaben, sondern an seinem Leben. Er bildet das eine Gottesvolk, zu dem wir als Einzelne gehören. Er verteilt die unterschiedlichen Gaben und Berufungen. Jedem von uns weist er seinen unverwechselbaren Platz zu. Nur wenn wir in Einheit mit ihm unseren Standort in der Kirche akzeptieren, können wir gemeinsam als der eine Leib Christi heute glaubwürdig Zeugnis für seine Liebe zu uns Menschen abgeben.
Das Ungeheure dieses Vorganges ist uns – wohl durch Gewohnheit – zumeist nicht mehr wirklich bewusst. Das besondere an der Eucharistie ist, dass Gott uns so nahe kommt, wie wir es kaum erfassen können. Er, Gott, schaut nicht nur auf seine Schöpfung herab, er tritt durch Christus in sie ein, wird einer von uns, und öffnet uns als Glieder seines mystischen Leibes in der heiligen Kommunion den Weg zum ewigen Leben.
Christus macht und gibt sich uns zur Speise. Wenn wir gleich durch die Straßen unserer Stadt Würzburg ziehen, dann laufen wir nicht hinter einem Stücken Brot her, sondern folgen Christus und bekennen seine reale Gegenwart in der eucharistischen Brotsgestalt. Wir tun dies aus Dankbarkeit für dieses Geschenk, aber auch, um unseren Mitmenschen die Bedeutung und Größe dieses Geheimnisses näher zu bringen. Müssen wir nicht tatsächlich in die Knie gehen, wenn uns bewusst wird, dass Gott sich in diesem Lebensbrot so klein macht und sich uns zur Speise gibt?
Liebe Schwestern und Brüder, ich weiß um die Skepsis vieler Mitmenschen, die meinen, dass es nicht sein könne, dass sich in der Wandlung von Brot und Wein innerhalb der heiligen Messe tatsächlich Christi Fleisch und Blut ergebe. Sie wollen mit ihrem Verstand diesem unfassbaren Geschehen nachkommen. Aber – Hand aufs Herz – wer versteht schon, dass sich aus einer kleinen Zwiebel eine wunderbare Blume entwickelt?
Wer versteht schon, dass Glaube, Hoffnung und Liebe die Welt verändern – außer denen, die sich darauf einlassen? Wir bleiben immer nur staunend vor den Geheimnissen unserer Welt und unseres Lebens stehen. Warum sollten wir nicht auch die Demut aufbringen, Christi Wort zu glauben und uns diesem Geheimnis der Liebe hinzugeben?
Eindrucksvoll hat uns eben Johannes in seinem Evangelium die Bedeutung dieses eucharistischen Geschehens geschildert. Dort hörten wir aus dem Munde Jesu: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.“ (Joh 6,51) Die Juden stritten daraufhin: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Sie haben es also nicht symbolisch sondern ganz real verstanden. Und wir? Nehmen wir es gläubig an?
Es gibt genügend Zeugen, die für die Realpräsenz Christi in den Gestalten von Brot und Wein eintreten. Ich erwähne nur den Nationalheiligen der Schweiz, den heiligen Niklas von Flüe, der viele Jahre seines Lebens nachweislich nur von der heiligen Kommunion gelebt hat. Dies wird auch glaubwürdig von der Therese Neumann aus Konnersreuth berichtet. Das Brot für das Ewige Leben wurde für sie zum Brot des täglichen Lebens, das sie ernährte.
Das Geheimnis des einen Leibes und der vielen Glieder macht deutlich, dass derjenige, der in die Kommunion-Gemeinschaft mit Christus eintritt, nicht anders kann, als auch in Gemeinschaft mit dem Nächsten einzutreten. Die enge Verbindung mit Christus, die weit über jede menschliche Gemeinschaft hinausgeht, drängt zur Gemeinschaft mit dem Nächsten. Ist diese Konsequenz nicht gerade für diese unsere Tage wichtig, da sich in der fortschreitenden Individualisierung unserer Gesellschaft die Defizite des fehlenden Glaubens handfest bemerkbar machen?
Mit großer Freude und Dankbarkeit dürfen wir dem eucharistischen Herrn huldigen und unser Glaubensbekenntnis öffentlich bezeugen – zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen. Amen.