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„Das Lebensprinzip der ganzen Schöpfung“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Pfingstsonntag, 4. Juni, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

unter dem Begriff Schlaglichter stand vor wenigen Tagen in einer Zeitung folgende Notiz: „Wertvolles Bild vergessen: Ein schusseliger Vermögensverwalter hat in Paris ein wertvolles Bild im Kofferraum eines Taxis vergessen. Der Vermögensverwalter wollte vergangene Woche einen Kunsthändler in der Pariser Innenstadt treffen. Das auf einen Wert von 1,5 Millionen Euro geschätzte Gemälde des italienischen Malers Lucio Fontana packte er in den Kofferraum eines Taxis. Dort habe er es aber beim Aussteigen vergessen. (... )“

Liebe Schwestern und Brüder,

sicherlich fragen Sie sich jetzt, was hat diese Nachricht mit Pfingsten zu tun?

Mir scheint, dass dieses Schlaglicht uns sehr wohl etwas deutlich machen kann, was mit Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, zu tun hat.

Obwohl der Heilige Geist nicht nur der Lebensspender, der lebendige Atem des ganzen Kosmos ist, sondern auch derjenige, der bewirkt, dass wir unser Leben, die Frohe Botschaft, das Evangelium verstehen können, vergessen wir ihn allzu oft. Im Großen und Ganzen bleibt er der Unbekannte und Ungefragte. Wie der schusselige Vermögensverwalter in Paris, so verhalten wir uns als Christen oft genug, wenn wir die entscheidenden Situationen unseres Lebens durch ein In-Anspruch-nehmen des Heiligen Geistes verstreichen lassen. Wie der schusselige Vermögensverwalter in Paris verhalten wir uns, wenn wir diese große Kostbarkeit in unserem Leben unbeachtet lassen – eben in unserem „Lebenstaxi“ vergessen.

Dabei wäre ohne sein Wirken die Frohbotschaft im Weltgetriebe längst untergegangen. Nicht nur die Apostel sowie die Frauen und Männer der ersten Stunde bedurften des Heiligen Geistes, damit sie die Zusammenhänge um Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi verstehen konnten und den Mut erhielten, diese Botschaft unter Einsatz ihres Lebens weiterzugeben. Auch wir brauchen ihn dringend!

Die vielen Probleme in unseren Tagen, der gesellschaftliche Umbruch und die vielen täglich in den Medien berichteten Katastrophen treiben uns um. Wie können wir uns sinnvoll einbringen und an einer besseren Welt mitarbeiten?

Papst Franziskus beklagte in einer Generalaudienz, dass „Der Heilige Geist: der große Vergessene in unseren Gebeten“ sei. Wörtlich sagte er: „Wir beten häufig zu Jesus; wir beten zum Vater, vor allem im Vaterunser, doch wir beten nicht so häufig zum Heiligen Geist, nicht wahr? Er ist der Vergessene.“ Und er fuhr fort: „Der Heilige Geist, der das Leben und den Dienst Jesu beseelt hat, ist derselbe Geist, der heute das christliche Leben lenkt, das Leben des Mannes und der Frau, die sich Christen nennen und Christen sein wollen.“

Hier finden wir wahrhaft den Schlüssel zu einer uns selbst und damit zu einer die Welt verbessernden Grundhaltung.

Der Heilige Geist ist die Lebensmitte Gottes. Er ist in der Trinität der lebendige Liebesaustausch zwischen Vater und Sohn. Er ist das Lebensprinzip der ganzen Schöpfung. Er bewirkt die Menschwerdung Jesu. Ohne ihn können wir Jesu Leben, Sterben und Auferstehen nicht begreifen. Ohne den Heiligen Geist erstarrt die Liebe, greift Todeskälte um sich, ereignet sich Chaos, Zerstörung und Tod.

Im Katechismus für junge Menschen, dem Youcat, steht als Antwort auf die Frage „Was heißt: Ich glaube an den Heiligen Geist?“: „An den Heiligen Geist glauben heißt, ihn ebenso als Gott anzubeten wie den Vater und den Sohn. Es heißt daran glauben, dass der Heilige Geist in unser Herz kommt, damit wir als Kinder Gottes unseren Vater im Himmel erkennen. Vom Geist Gottes bewegt, können wir das Angesicht der Erde verändern.“

Der Heilige Geist ist der Motor der Kirche. Er wirkt in und durch die Sakramente. Durch Taufe und Firmung wohnt er in uns und belebt uns. Er ermöglicht, dass wir in seiner Kraft die Osterbotschaft verstehen, leben und verkünden.

Gestern konnten hier im Dom zwei junge Männer zu Priestern geweiht werden. Woher sollten sie den Mut zu einer solch gewichtigen Lebensentscheidung nehmen, wenn nicht durch das Vertrauen auf den Heiligen Geist, der sie beseelt und begleitet?

Der heilige Augustinus nennt den Heiligen Geist „den stillen Gast unserer Seele“.

Das Geheimnis des Heiligen Geistes ist überall erlebbar: in der Natur, in der Kultur, in unserem Leben und in uns selbst. Er drängt sich aber nicht auf. Er ist geduldig und still.

In der eingangs erwähnten Zeitungsnotiz vom vergessenen wertvollen Bild lautete der Schluss: „Glücklicherweise konnte das Taxi ausfindig gemacht und das Gemälde zurückgebracht werden, wie ein Polizeisprecher berichtete.“

Möge das im übertragenen Sinn auch uns geschehen. Möge uns der Heilige Geist nicht der große Unbekannte bleiben, sondern als die göttliche Gabe, das große, wertvolle Geschenk, als die belebende und inspirierende personale Kraft erfüllen und antreiben, die Frohe Botschaft zu verstehen und zu leben.

Amen.