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"Das Missionsideal im Blick"

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zum 75. Kirchweihfest der Abteikirche von Münsterschwarzach, am Sonntag, 8. September 2013

Verehrter, lieber Abt Michael,
liebe Mitbrüder im geistlichen Dienst,
liebe Schwestern und Brüder im Herrn.

Heute feiern wir hier in Münsterschwarzach wahrhaft ein großes Fest: Wir denken an die Wiederbesiedlung der Abtei Münsterschwarzach vor 100 Jahren und die Weihe der jetzigen Abteikirche vor genau 75 Jahren. Die Zeiten waren und sind turbulent. Trotz der über 1000-jährigen Geschichte des Klosters, die auch eine lange Unterbrechung aufzuweisen hat, und trotz der Auflösung im Jahre 1803 fanden sich vor genau 100 Jahren Mönche aus dem benachbarten Kloster Sankt Ludwig, das von den Missionsbenediktinern von Sankt Ottilien gegründet wurde, die in das nahe Münsterschwarzach umzogen. Einerseits griffen sie das ursprüngliche Ideal des „ora et labora“ auf,  andererseits nahmen sie wieder das frühmittelalterliche Missionsideal in den Blick. Die Früchte dieses Kerngedankens des mönchischen Lebens in Münsterschwarzach sind weltweit erfahrbar. Zurzeit zählt die Gemeinschaft 163 Ordensleute, von denen 44 in Missionsklöstern leben. Erwähnen möchte ich nur die Niederlassungen in Tansania: zum Beispiel in den Bistümern Mbinga und Songea. Dass es sich inzwischen auch bei uns in Deutschland wieder um ein Missionsland handelt, dürfte vielen klar sein.

Dieser Tage ist viel von Fukushima die Rede. Vor zweieinhalb Jahren ereignete sich dort in Japan eine Atomkatastrophe, die die Atomreaktoren gewaltig beschädigte. Die Welt hielt den Atem an. Weltweit wurde nach Wegen gesucht, die tödlichen Auswirkungen der radioaktiven Strahlung so weit wie möglich zu minimieren. Und auch bei uns im Lande erbrachte es ein Umdenken im Umgang mit der Atomenergie mit sich. Heuer ist wieder von einem Leck eines stark radioaktiv belasteten Kühlwassertankes in Fukushima zu hören, das zu großer Besorgnis Anlass gibt. „ ‚Wir befinden uns in einer Situation, in der wir keine Zeit zu verlieren haben’ sagte der Chef der Aufsichtsbehörde…bei einem Treffen in Tokio“ -so in der FAZ vom 22.8.13 zu lesen. Die Gefahr einer Atomkatastrophe ist uns allen klar und ruft Experten und Politiker auf den Plan, so rasch wie möglich einzugreifen und eine mögliche weltweite Katastrophe abzuwenden. Wie aber steht es bei uns, wenn etwa durch den heute festzustellenden eklatanten Wertewandel gesellschaftliche Katastrophen zu befürchten sind?

Als 1913 die Mönche nach Münsterschwarzach zurückkehrten, fanden sie ein verlottertes Klostergelände einer ehemals prächtigen barocken Klosteranlage vor. Selbst die bedeutende Klosterkirche, die Balthasar Neumann gebaut hatte, diente und nach einem Blitzeinschlag und Brand im Jahre 1810 nur noch als Steinbruch. Die Mönche legten – getreu ihrem Motto „ora et labora“ – nicht die Hände in den Schoß, sondern besannen sich auf die Rekultivierung ihres über 1000-jährigen Domizils, das man durchaus als ‚Gnadenort’ bezeichnen kann, gleichermaßen wie auf die Aufgaben der weltweiten Missionierung. Gleichsam am Vorabend des ersten Weltkrieges, der gesellschaftliche Brüche und großes menschliches Elend zur Folge hatte, machten sie einen Neuanfang und ließen sich nicht durch politische Entwicklungen daran hindern, ihren Auftrag zu erfüllen.

So wurde selbst vor 75 Jahren, als die Schatten des Nationalsozialismus vehement aufzogen, nicht der Wille gebrochen, eine der Zeit entsprechende Klosterkirche zu erbauen. Die Klostergemeinschaft, die seit ihrer Wiederbesiedlung von 59 Mönchen bis zum Jahr der Kirchweihe 1938 auf 388 Mitglieder angewachsen war, wollte einen Kirchbau, der einerseits an die mittelalterliche Bautradition der Benediktiner anknüpfte, aber andererseits eine zeitgemäße schlichte, strenge Bauform aufwies. So konnte dieser Bau wie eine steingewordene Kundgebung des Missionsgedankens in die Landschaft ausstrahlen. Mit Professor Albert Boßlet wurde ein Architekt gefunden, der einen uns noch heute beeindruckenden Kirchenbau erleben lässt. Eine Assoziation an den bekannten romanischen Kaiserdom in Speyer drängt sich auf. Die hohen östlichen Türme korrespondieren mit den etwas zurückgenommenen westlichen Türmen und ragen wie eine turmreiche Gottesstadt in die liebliche unterfränkische Landschaft. Der ebenso erhabene wie schmucklose Innenraum lässt auch nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils große liturgische Feiern zu. Wir haben dies ja noch bei der Abtsweihe von Abt Michael und der Priesterweihe im vergangenen Jahr eindrucksvoll erleben dürfen.

Hatte die Grundsteinlegung Abt Burkard Utz vollzogen, so nahm die Kirchweihe am 11. September 1938 Bischof Matthias Ehrenfried vor. Außer ihm nahmen noch elf Äbte an der Weihehandlung teil. Die Kirche war mit 900 Personen bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Bevölkerung freute sich über diesen sichtbaren Aufbruch und unterstützte die Mönche tatkräftig, nachdem nationalsozialistische Schergen mit allen möglichen Repressalien gegen die Mönchsgemeinschaft vorgingen. Der Weihetermin war wohl gewählt: Dr. Elmar Hochholzer schreibt in seinem Artikel „Ein Mahnmal im Dunkel der Zeit“ (Jahresbericht 2012/2013 EGM, 7): „Die Kirchweihe fand 25 Jahre nach der Neubesiedelung genau an jenem Tag statt, an dem Münsterschwarzach, Kloster und Dorf, seit dem Mittelalter seine Kirchweihe feiert. Es ist der zweite Sonntag im September, der Sonntag nach Mariä Geburt (8.9.). Im Jahr 1038, genau 900 Jahre vor dem Fest von 1938, weihte der heilige Bruno, Bischof von Würzburg, am 8. September einen Gebetsraum zu Ehren des heiligen Benedikt. 1066, am 9. September, weihte der Würzburger Bischof Adalbero von Wels-Lambach, einer der bedeutendsten Kirchenmänner in der Zeit des so genannten Investiturstreites, die romanische Kirche, mit der Abt Egbert von Münsterschwarzach die innere Erneuerung seines Klosters auch nach außen sichtbar machte. In der Reformationszeit, am Montag, den 13. September 1540, weihte der Würzburger Weihbischof Augustinus Marius die im Bauernkrieg von 1525 schwer beschädigte Klosterkirche neu; …Am 8. September 1743 schließlich erteilte Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn jener zerstörten, barocken Basilika den Segen, die heute noch als eine der schönsten Kirchen Balthasar Neumanns gilt und auf deren Fundamenten die jetzige Kirche achsensymmetrisch steht.“  

So steht auch der heutige Festtag in einer langen Tradition und ruft uns zur Besinnung und zum tatkräftigen Glaubenszeugnis auf. Anfeindungen der Kirche geschehen heute sicherlich viel subtiler als vor 75 Jahren. Aber die permanente Suche nach Fehlern und Versäumnissen der Kirche verlieren nicht an Wirkung. Im Gegenteil: Wir stehen einer wachsenden kirchlichen Entfremdung gegenüber. War die 1938 gefeierte Kirchweihe in Münsterschwarzach eine öffentliche Provokation gegenüber den braunen Machthabern, so müsste auch unsere Gedenkfeier ein heutiger Aufruf an uns zur beherzten Nachfolge Jesu sein. Unsere Mitmenschen suchen nach Orientierung und Halt. Gerade die jungen Menschen suchen nach glaubwürdigen Vorbildern, die die christlichen Werte leben. Von daher sind alle Katastrophennachrichten aus dem kirchlichen Raum gewaltige Störfaktoren, die eine Neubesinnung und einen Neuaufbruch erheblich behindern. Fukushima gibt es nicht nur als havarierten Atomreaktor in Japan, Fukushima gibt es gesellschaftlich allenthalben auch bei uns.

Die Münsterschwarzacher Mönche leiten dankenswerter Weise ein großes Gymnasium, das, hoch anerkannt, vielen jungen Menschen Orientierung und Bildung aus christlichem Geist ermöglicht. Darüber hinaus leisten sie eine Bildungs- und Betreuungsarbeit, ohne die wir im Bistum Würzburg viel ärmer wären. Vor zehn Jahren haben sie – umweltbewusst – eine Energiewende vollzogen, die auch ökologisch einen Weg in die Zukunft weist. Die Münsterschwarzacher Kommunität hat sich in einem vorausgegangenen Besinnungsjahr auf das Wesentliche der benediktinischen Berufung konzentriert. Müssen wir uns nicht alle auf unsere Berufung besinnen? Das in hier gelebte Glaubenszeugnis ist für uns alle ein großer Schatz, für den ich heute besonders danken möchte. „Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es“ (1 Joh 3,1) schreibt uns der heilige Johannes in’s Herz. Das müsste genug Motivation sein, um uns alle als missionarische Christen zu bewähren. Amen.