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„Die Botschaft der selbstlosen Liebe“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann in der Christmette am 24. Dezember 2013 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

in unserer Zeit sind Bücher und Filme von Harry Potter, Science-Fiction-Filme und Esoterik-Literatur beliebte Medien, um aus dem Zwang des Alltags auszusteigen und in eine Phantasiewelt einzutauchen. Für eine kurze Zeit will man dem Stress oder Ärger entfliehen, Nervenkitzel erleben und in einer irrealen Welt einen gewissen Ausgleich erreichen, wenn man sich von den wirklichen Problemen überrollt sieht.

Viele junge Menschen tauchen in eine digitale, virtuelle Welt ab, in der sie sich unter Umständen besser zurechtfinden als in der realen. Und genau hier liegt das Problem: Nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei Erwachsenen besteht die Gefahr, diese Scheinwelt als eigentliches Lebensumfeld wahrzunehmen und die uns fordernde Wirklichkeit zu verdrängen.

Eine weitere Gefahr besteht darin, alles nicht rational Nachvollziehbare in diese utopische Welt zu verlagern. So kann es durchaus sein, dass viele Menschen die Weihnachtsbotschaft in den Bereich der Träume und Illusionen abschieben.

Die aufrüttelnde Botschaft der Menschwerdung Gottes in diesem Kind von Bethlehem wird leicht als ein Mythos abgelehnt, der in Wirklichkeit nichts mit dem eigenen Leben zu tun hat. Genau das ist die Falle, in die man leicht hineintappt und dann schließlich und endlich die Botschaft von der Menschwerdung Gottes nicht ernst nimmt.

Damit wird das Weihnachtsfest zur Flucht aus der harten Wirklichkeit in das Reich der Märchen und Träume. Und das Gefühlvolle, das wir zu erleben versuchen, muss letztlich, da das Fest so ohne wirklichen Inhalt benutzt wird, enttäuschen.

Aber genau das wäre fatal. Denn die Menschheitssehnsucht nach Ganzheit, Geborgenheit und beständiger Liebe wird da zum Schlüssel der Überwindung menschlichen Versagens und Scheiterns, wo wir die Botschaft von Gottes Eintritt in unsere Schöpfung ernst nehmen und an uns heranlassen. 

Diese Sehnsucht nach ewigem Leben, die sich in allen unterschiedlichen Religionen finden lässt, hat sich in der Erwartung des Volkes Israel auf den Messias verdichtet. Die Propheten sprechen zu verschiedenen Zeiten aus unterschiedlichen Erfahrungen heraus vom kommenden Erlöser. Schließlich und endlich bezeugt das Neue Testament die Erfüllung dieser Sehnsucht in Jesus Christus.

Mit der Geburt des Kindes von Bethlehem taucht der unsichtbare Gott in unsere sichtbare Geschichte ein. Der ewige, allmächtige, unfassbare Gott nimmt Fleisch an. Er wird in Jesus Christus sichtbar, hörbar, anfassbar, ja sogar verwundbar.

Das ‚Licht der Welt’ – wie wir Jesus nennen dürfen – erhellt unser Lebensdunkel durch sein Kommen. Jetzt beginnt die Zeitenwende. Wir erkennen unsere Weltgeschichte mit der Menschwerdung Gottes in einem neuen Licht. Wir berechnen unsere Zeit mit  vor Christi Geburt und mit nach Christi Geburt und bekennen so in der Zeitenwende Gottes Heilsplan.

Aber woher wissen wir, dass dies wahr ist und wir nicht einem frommen Wunschdenken aufsitzen? Einen innerweltlichen Beweis gibt es nicht. Dieser Vorgang entzieht sich mathematischer, naturwissenschaftlicher oder logischer Argumentation. Aber gerade die völlige Andersartigkeit dieses in der Heiligen Schrift bezeugten Geschehens lässt aufhorchen. Wenn hier menschliche Logik zum Zuge gekommen wäre, dann wäre Gott unserer Vorstellung nach nicht als ein kleines Kind, sondern in überwältigender Kraft und Stärke, fordernd und zutiefst beeindruckend, in unsere Wirklichkeit eingebrochen.

Aber genau das Gegenteil ist ja der Fall: Er kommt als kleines unscheinbares, hilfloses Kind – noch nicht einmal in einer normalen Wohnung, geschweige denn in einem Palast zur Welt. In einem Stall oder einer Höhle wird er als Mensch geboren, unbeachtet von den Großen der Welt und ohne Öffentlichkeitswirkung.

Sein Leben verläuft wie das anderer Menschen, und doch fordern seine außergewöhnlichen Reden und Handlungen die Menschen heraus, faszinieren und rütteln auf. Aber schließlich ereilt ihn der schmähliche Kreuzestod. Eine gewaltige Herausforderung an den Glauben! Ohne das Faktum der Auferstehung wäre diese Weihnachtsbotschaft wohl in der Dunkelheit der Geschichte verblasst und untergegangen. Es gibt eine innere theologische Logik, die einen unruhig macht, ja voll in Anspruch nimmt. Das ist die Botschaft der selbstlosen Liebe, die letztlich der Weg zum Glück ist.

Man mag bei dem Gedanken an Gottes konkretes Eingreifen in unsere Geschöpflichkeit erschrecken. Gott nimmt uns so wichtig, dass er selbst einer von seinen eigenen Geschöpfen wird?

Der Engel auf den Fluren Bethlehems verkündete den Hirten: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“ (Lk 2,10f.)

Das ist die Frohe Botschaft dieser Heiligen Nacht: Gottes Sohn wird Mensch, um uns aus der Verfangenheit in Sünde und Tod zu befreien und in das Licht der Liebe Gottes zurückzuholen. Mit ihm brauchen wir nicht vor den Dunkelheiten und Brutalitäten unseres Lebens zu resignieren. Mit ihm können wir die Welt verändern. Durch ihn wissen wir um unsere Hoffnung auf das ewige Leben.

Im Bereich der irrationalen Scheinwelt braucht man sich nicht zu behaupten. Da ist alles ein Spiel. Hier aber kommt es darauf an, die Weihnachtsbotschaft an sich heran zu lassen, aus ihr heraus zu leben und das Leben im eigenen Umfeld entsprechend zu gestalten – d.h. Auftreten und Einstehen für die Rechte und die Würde eines jeden Menschen, d.h. den Nächsten genau so zu lieben wie sich selbst. Gott adelt die Menschen durch seine Menschwerdung. So will Christus die Welt auch durch uns – wie wir sagen: durch uns Kinder Gottes – verändern. Er baut auf unsere Einsicht, unseren guten Willen, unsere antwortende Liebe. Deshalb jubilierten die Engel oberhalb der Hirten und deshalb dürfen auch wir mit ihnen jubeln: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ (Lk 2,14) Wer hindert uns, in dieser heiligen Nacht damit ernst zu machen?

Amen.