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„Die Kirche lebt vom Geheimnis“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Gründonnerstag, 13. April 2017, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

mit dem heutigen Abend treten wir in die drei österlichen Tage vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi ein.

Es ist nicht einfach nur ein Zurückerinnern an etwas, was vor fast 2000 Jahren geschehen ist. Es ist vielmehr ein in die Gegenwart, in unser Zusammensein Hineinholen eines unglaublichen Liebeshandeln Gottes an uns.

Der berühmte Autor von Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry, bekannte einmal zu Recht: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“

Wenn jetzt jemand ahnungslos und ohne Kenntnisse unseres Glaubens in den Dom käme und uns hier sähe, könnte er denken: Hier ist eine Versammlung, eine Konferenz, ein – modern ausgedrückt – „Meeting“. Erstaunlich folgenlos. Auf Grund unseres Betens und Singens könnte er vielleicht sogar denken, dass hier eine rein zwischenmenschliche Feier, ein Volksfest stattfindet. Aber könnte er erahnen, was hier wirklich unter uns geschieht? Ich denke nein. Und wir?

Immer wieder wird beklagt, dass wir Christen zu wenig von unserem Glauben wüssten und ihn deshalb weder vernünftig weitergeben noch adäquat leben würden. Deshalb möchte ich kurz und bündig das Wesentliche dieser Tage und dieses Abendmahlsgeschehens aufrufen.

Schauen wir zunächst auf das Paschafest der Juden, in dem auch unsere heutige Feier ihren Ursprung hat. Es wurde als Fest des Vorübergangs des Herrn und als Hirtenfest zusammen mit dem Fest der Ungesäuerten Brote zur Erinnerung an die Befreiung aus ägyptischer Knechtschaft gefeiert. Im Grunde geschieht dies noch heute so bei den Juden.

Jesus hat ganz bewusst das Abendmahl in diese Feier des Pascha hinein gestellt. Die frommen Juden wussten: Wenn sie das Paschamahl begingen, erinnerten sie sich nicht nur an die Heilstaten Gottes bei der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens und bei der 40-jährigen Wüstenwanderung auf dem Weg in das gelobte Land, sondern Gott wandte ihnen seine Liebe  jetzt – wie damals – in der Feier des Pascha, des Vorübergangs des Herrn, zu.

Was war damals in Ägypten geschehen? Gott hatte sein Volk, das der Pharao nicht ziehen lassen wollte, aufgefordert, stehenden Fußes ein einjähriges fehlerloses Lamm zu schlachten und zu verzehren. Die Türpfosten sollten mit dem Blut bestrichen werden. Das war für den Engel, der in den ägyptischen Häusern den jeweiligen Erstgeborenen tötete, das Zeichen,  diesem Haus kein Leid zuzufügen. In dieser Nacht rettete Gott sein Volk aus der elenden Gefangenschaft, ja Sklaverei.

Jesus hat bewusst in diese auch liturgisch geprägte Feier das Sakrament der Eucharistie als bleibenden Auftrag und Vermächtnis gestiftet. Er selbst hat sich anstelle des Lammes geopfert, zur Speise gemacht, damit wir durch ihn von der Knechtschaft des Bösen befreit werden und Leben und Freiheit haben.

In seinem Blut wird der Neue Bund begründet. Die Teilnahme an diesem Mahl bedeutet Gemeinschaft mit ihm und allen, die daran teilnehmen. Man müsste diese Worte Jesu in unsere Herzen einmeißeln, damit sie ihre Bedeutung offen halten.

Der heilige Paulus – wir hörten es eben in der zweiten Lesung – hat detailliert diese Feier, die an vier Stellen im Neuen Testament überliefert ist, geschildert. Er hat uns gleichsam mit dem Blut Jesu dessen bleibendes Vermächtnis aufgeschrieben. Unüberhörbar und unvergesslich klingen Jesu Worte nach: „Sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“  Jesus hat dieses Heilsgeschehen den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut, damit sein in die Feier des Abendmahles hinein reichendes, uns erlösendes Sterben in jeder zukünftigen heiligen Messe vergegenwärtigt wird.

So wie Jesu Sterben zwar erst am nächsten Tag, am Karfreitag geschah, so hat Jesus es schon am Tag vorher, am Gründonnerstagabend, in die Stiftung der Eucharistie einbezogen. Das geht uns auf, wenn wir seine Worte hören: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. ... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Die uns aus seinem freiwilligen Sterben geschenkte Erlösung greift, wenn wir uns auf dieses Geheimnis einlassen.

Die Konsequenz dieses Geschehens ist, dass wir in der heiligen Kommunion wahrhaft Jesu Fleisch und Blut empfangen. Es ist nicht einfach ein Stückchen Brot oder ein Schluck Wein. Es ist der Herr, der am Kreuze gehangen hat und am Ostermorgen auferstanden ist.

Was in diesen Tagen unter uns geschieht, ist das uns Hineinholen in die Liebe Gottes. Vielleicht fasst das Stichwort Barmherzigkeit das hinter und in den gefeierten Riten liegende Geheimnis zusammen: Jesus ist als das Wort Gottes aus Barmherzigkeit zu uns Mensch geworden. Er hat aus Barmherzigkeit unser Leben bis in die tiefsten Abgründe hinein geteilt. Er hat aus Barmherzigkeit den Jüngern die Füße gewaschen. Papst Franziskus hat die darin liegende Sinnspitze geweitet als demütigen Dienst nicht nur an den Aposteln, sondern an allen Schwestern und Brüdern. So geschieht dies heute auch bei uns. Er hat aus Barmherzigkeit seine bleibende Gegenwart in dieser Weltzeit in seinem Wort, dem Sakrament der Eucharistie und der gelebten Nächstenliebe ermöglicht.

Die Kirche lebt vom Geheimnis, vom Mysterium, nicht von Paragrafen, Vorschriften und Gesetzen. Diese Aura des langen göttlichen Atems kann uns besonders in diesen Tagen berühren und – verwandeln. Haben wir Mut dazu, darin einzutauchen und davon geprägt zu werden.

Amen.