Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Ehe und Familie werden ausgehöhlt“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei den Tagen der Ehejubilare am 4. und 5. Juli 2013 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Ehejubilare, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Voller Dank würfen wir heute mit Ihnen allen Gott Dank sagen für Ihre gemeinsamen Ehejahre. An drei Tagen treffen sich im Zusammenhang mit unserer Kilianwallfahrtswoche in unserem Sankt-Kilian-Dom mehr als 4000 Eheleute und Familienangehörige aus der ganzen Diözese, um Gott zu danken. Dies allein ist schon ein ausdrucksstarkes Zeichen, das in eine Gesellschaft ausstrahlt, und den Wert und die bleibende Bedeutung von Ehe und Familie in unserer Zeit bekundet. Noch bedeutender aber ist der gefeierte Dank aller hier Versammelten, der in der großen Danksagung der heiligen Messe und in dem erneuerten Eheversprechen seine Tiefe erfährt.

Unter uns sind auch Ehepaare unterschiedlicher Konfessionen. Sie haben in ihrer Ehe die oft schwierigen Situationen des Glaubenlebens im Alltag erfahren. Es war für Sie sicherlich nicht immer leicht daraus erwachsende Spannungen auszuhalten. Ich weiß, wovon ich rede. Meine Eltern lebten auch in einer solchen – früher genannten – Mischehe.

Danke, dass Sie nicht mürbe oder mutlos geworden sind. Im Gegenteil: So konnten Sie in ihrer konkreten Ehe viel für die Überwindung von Glaubensspaltungen tun. Die Achtung vor der Glaubensüberzeugung des je anderen ist unserem christlichen Grundverständnis zutiefst eingeprägt und erfährt in einer solchen Ehe die Nagelprobe. Die Bischöfe haben sich in der letzten Zeit bewusst dieser Sorge angenommen und suchen nach Wegen, bestehende Schwierigkeiten zu mildern oder gar auszuräumen.

Natürlich denken wir heute aber auch an die Ehepaare, die auseinandergegangen sind, deren Liebe gescheitert ist. Auch sie brauchen unsere Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Hilfe.

In den letzten Tagen ist in den Medien viel von Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und auch von der Beliebigkeit und Relativierung von Ehe und Familie gesprochen worden. Diese Vorgänge haben nichts mit unserem Verständnis von Ehe und Familie gemeinsam. Unser katholisches Eheverständnis gründet in der Offenbarung der Heiligen Schrift und ist Kern und Mitte einer prosperierenden Gesellschaft.

Schon im Schöpfungsbericht heißt es: „Gott schuf… den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,27) Und direkt im Anschluss heißt es: „Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt  euch, bevölkert die Erde…“ Dieser Grundauftrag umschließt ein Zweifaches: Der Mensch als Abbild Gottes vollendet sich im Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit. Gott selbst ist lebendiger Liebesaustausch. Vater, Sohn und Heiliger Geist schaffen alles Dasein, alles Leben und sind damit auch Urgrund menschlicher Liebe, die auf Zeugung und Weitergabe ausgerichtet ist.

Das ist die zweite wesentliche Aussage: „Seid fruchtbar, und vermehrt euch.“ Man kann sicherlich nicht ohne weiteres sagen, dass Vater, Mutter und Kind analog zur göttlichen Dreifaltigkeit gesehen werden können, wohl aber, dass sich in dieser Familie der Grundkonsens mit Gottes innerem Wesen verbindet. So wie Gott der Schöpfer allen Lebens ist, so werden Mann und Frau zu Eltern, indem sie einem Kind das Leben schenken. Erstschöpfer ist Gott, aber die Eltern haben wesentlichen Teil an diesem Schöpfungsakt. Sie werden von Gott gewürdigt, ein Stückchen von sich, ihre Gene, ihre Talente, ihren Charakter, ihr Aussehen weiter zu geben. Im gezeugten Kind findet die Liebe zwischen Mann und Frau ihre größte Dichte.

Liebe Ehepaare, liebe Schwestern und Brüder,

ich weiß nicht, wie konkret Ihre Ehe verlaufen ist. Ich kann mir denken, dass es Zeiten des Glückes und Situationen der Unruhe und Auseinandersetzung gab. Sie aber haben den Versuchungen widerstanden, das Eheversprechen zurückzunehmen und sich aus der ehelichen Gemeinschaft zu stehlen. Dafür möchte ich Ihnen von Herzen danken.

Bei der letzten Ehejubiläumsfeier im Dom wurden Ehepaare von Journalisten gefragt, wie sie es geschafft hätten, ein halbes Jahrhundert zusammen zu bleiben. Die Antworten waren aufschlussreich und ermutigend: Wir haben uns in der Schulzeit kennengelernt und sind bis heute sehr glücklich. – Es gab wahrscheinlich mehr Tiefen als Höhen in unserer Ehe. Aber man hält eben zusammen. – Ein Erfolgsrezept gibt es nicht. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden. – Wir haben immer zusammengehalten und waren ehrlich zueinander. – Man muss den Partner annehmen können, wie er eben ist, immer zueinander halten und gegenseitig respektieren. – Wenn man sich mal wehtut, sollte man noch am gleichen Tag verzeihen. – Das Wichtigste in einer Partnerschaft sind Ehrlichkeit und Treue. Und wir kommunizieren viel miteinander.“

Unsere Kinder und Jugendlichen haben es heute schwer, sich ein Leben lang zu binden. Viel zu oft erfahren sie Scheitern, Brüche und Neuanfänge, die nicht nur medial verbreitet werden sondern auch in eigenen Lebenssituationen schmerzlich erlebt werden.

Schon der selige Johannes Paul II. hatte bei seinem ersten Deutschlandbesuch am 15. November 1980 als Papst in Köln gesagt: „Die moderne Industriegesellschaft hat die Lebensbedingungen für Ehe und Familie grundlegend verändert. Ehe und Familie waren früher nicht nur Lebensgemeinschaft, sondern auch Produktionsgemeinschaft. Sie wurden aus vielen öffentlichen Funktionen verdrängt. Das öffentliche Klima ist nicht immer freundlich gegenüber Ehe und Familie. Und doch erweisen sie sich in unserer anonymen Massenzivilisation als Zufluchtsort auf der Suche nach Geborgenheit und Glück. Ehe und Familie sind wichtiger denn je: Keimzellen zur Erneuerung der Gesellschaft, Kraftquellen, aus denen das Leben menschlicher wird.“ (Köln, am 15.11.1980)

Und wenig später sagte er: „Staat und Gesellschaft leiten ihren eigenen Zerfall ein, wenn sie Ehe und Familie nicht mehr wirksam fördern und schützen und andere, nichteheliche Lebensgemeinschaften ihnen gleichstellen.“

Genau das geschieht zurzeit! Wenn wir aber auch an den derzeitigen Streit um Familienpolitik denken und an die Diskussionen um familienpolitische Leistungen der Bundesregierung, dann wird deutlich wie über die Diskussion zur Erweiterung von Ehegattensplitting mit Kindergeld und Steuerfreibeträgen hin zu Lebenspartnerschaften Ehe und Familie ausgehöhlt werden.

Dabei hat der Staat – auch laut Grundgesetz – die Verpflichtung Ehe und Familie als Grundsteine unserer Gesellschaft zu schützen.

Unser christliches Verständnis basiert auf der Sakramentalität der Ehe. Mann und Frau gehen vor Gott einen Lebens- und Liebesbund ein, in dem Gott der Dritte ist. Mit seinem Dabeisein, mit seiner die Liebe der Eheleute erneuernden Kraft schenkt er die Möglichkeit, einander zu verzeihen und Brüche zu heilen. So wird auch die christliche Ehe zu einem wichtigen Zeugnis für die helfende Gegenwart Gottes.

Meine Eltern haben mir einmal gesagt: „Wir sind abends nie ins Bett gegangen, ohne uns zu verzeihen.“ Das hat mir immer imponiert.

„Dein Angesicht, Herr, will ich suchen!“ ist der Leitsatz dieser Kiliani-Wallfahrtswoche. Diesen Satz hat Kardinal Döpfner, dessen 100. Geburtstag wir am  26. August begehen, wenige Tage vor seinem Tod (am 24. Juli 1976 in München) in einer Rundfunkansprache verwendet. Er stammt aus dem 27. Psalm und kann uns wie ein bleibendes Vermächtnis von Kardinal Döpfner den Weg in die Zukunft weisen. 

Wir dürfen das Antlitz Jesu auf ganz unterschiedliche Weise suchen: im Nächsten, der uns braucht; im Notleidenden; im Angesicht des Ehepartners und der Kinder.

Wir begegnen dem Angesicht Jesu in der Heiligen Schrift, in der Feier der Liturgie, in der heiligen Kommunion.

Der große Heilige Thomas von Aquin dichtete: „Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht; lass die Schleier fallen einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“ (GL 546)

Liebe Schwestern und Brüder,

haben wir schon einmal daran gedacht, dass vielleicht andere Menschen auch in uns das Angesicht Christi suchen? In einer christlich gelebten Ehe und Familie strahlt etwas von der Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes auf. In der Offenheit füreinander, in dem Sichverschenken aneinander wird Gottes Liebe zu uns erlebbar, greifbar. So würdigt er uns, trotz all unserer Schwächen und Fehler, an seinem Schöpfungswerk teilzuhaben, das unser Heil zum Ziel hat. Nicht ohne Grund heißt es: Die Liebe ist eine Himmelsmacht.

Amen.