Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Füreinander einstehen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Gottesdienst anlässlich der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern am Freitag, 19. April, im Neumünster zu Würzburg

Verehrter Herr Kardinal Wetter, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

Pilger sind wir auf Erden – diese alte Binsenweisheit wird heute allerdings nicht mehr von allen geteilt. Viele unserer Mitmenschen meinen, die kurze Lebensspanne, die uns geschenkt ist, mache schon das ganze Leben aus. Wen wundert es, dass dann aber auch diese kurze Lebenszeit mit Glückserlebnissen ausgefüllt werden soll, die den Hunger nach Leben, den wir in uns tragen, nicht sättigen können.

Die Migranten, mit denen Sie sich heute bei Ihrer Vollversammlung beschäftigt haben, führen uns auf sehr direkte Weise vor Augen, welche Probleme ein solches Dasein mit sich bringen kann. Jedes einzelne dieser Menschenschicksale ist voller Not und voller Anfragen. Das Aufgeben der Familie, des Berufes und der Heimat bedeutet immer ein wenig Sterben. Ich war so manches Mal erschüttert, wenn ich die Lebensgeschichten von einzelnen Migranten kennenlernte. Wie viele Anfragen an uns Christen wurden zu brennenden Wunden in unserem wohlgeordneten Alltagsablauf. Ich frage mich: Wie wäre es, wenn ich einer dieser Migranten wäre?

Migranten sind Menschen unterwegs, Menschen in Bewegung, Menschen, die ihren Aufenthaltsort verändern. Trifft das nicht auch für uns Menschen insgesamt zu, die ein Leben lang unterwegs sind – zu Gott – eben als Pilger? Der Lebenshintergrund eines jeden von uns mag sehr verschieden sein. Mancher mag – wie viele unserer Migranten – traumatisiert sein. So mancher hat keinen leichten Start ins Leben und fühlt sich bedrängt, benachteiligt oder sogar ausgegrenzt. Aber durch Ostern hat unser Unterwegssein eine ganz neue Dimension erfahren.

Die Botschaft von der Auferstehung Jesu füllt dem Glaubenden die Ostertage mit Freude, ja mit Jubel, denn wir haben am Ende unserer irdischen Pilgerschaft nicht das dunkle Grab zu fürchten, das endgültige Aus, sondern wir dürfen uns auf ein Leben in Gott, ein ewiges Leben, freuen.

Der Völkerapostel Paulus, der zuerst die Christen brutal verfolgte, hat durch die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn eine Kehrtwendung vollzogen. Er schrieb später: „Ich bin mit Christus gestorben und mit Christus auferstanden, jetzt lebt Christus in mir, und ich lebe in Christus." (vgl. Gal 2,20) Diese Gewissheit schenkt uns eine innere Freiheit, die es uns ermöglicht, auch in schweren Stunden, in Zeiten des Angefochtenseins und des Leidens, den Mut nicht zu verlieren. Diese Gewissheit hält uns davor zurück, den Blick auf unser kleines, kurzes Leben zu verengen und irdischen Träumen nach zu laufen, die sich letztlich doch als Illusionen erweisen. Diese mit der Auferstehungsgewissheit gefundene neue Lebenssicht sprengt die Ketten des An-Uns-Selbst-Gefesselt-Seins.    

Viele Frauen und Männer vor uns haben aus dieser Glaubensfreude heraus ihr ganzes Leben verändert. Ich erwähne hier in Neumünster nur die drei Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan, die hier in der Krypta ihre Grabstätte gefunden haben. Sie haben im siebten Jahrhundert ihre Heimat Irland verlassen und sind in das Frankenland gekommen, um uns die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi zu bringen. Schließlich sind sie für diese Botschaft in den Tod gegangen und haben das Martyrium im Blick auf die Auferstehung angenommen.

Wie steht es mit uns? Wieweit lassen wir uns auf unserer irdischen Pilgerreise vom Blick auf das Ziel bestimmen? Wie wenden wir uns unseren Mitmenschen und dort erst recht den Migranten zu?

Gestärkt werden wir auf unserem Weg durch Gott. Wir hörten eben im Evangelium die entscheidende Passage der eucharistischen Rede Jesu. Die geschilderte Erregung der damaligen Hörer ist nur erklärbar, wenn sie die Worte Jesu nicht nur rein geistig, sondern sehr realistisch verstanden haben. Erst die Apostel im Abendmahlssaal dürften die ganze Tragweite dieser Predigt im Zusammenhang mit Jesu Sterben und Auferstehen zumindest anfanghaft begriffen haben.

Irenäus von Lyon, der im Jahre 202 verstarb, hat die Bedeutung der eucharistischen Speise in folgendem Text auf das eigentliche Geheimnis der Seelenspeise als Pilgernahrung hin verdichtet: „Wir sind seine (Jesu Christi) Glieder und werden durch die Schöpfung ernährt, die er selbst zur Verfügung stellt, indem er die Sonne aufgehen lässt und Regen schickt nach seinem Willen. Von dem Kelch, der aus der Natur stammt, hat er gesagt, er sei sein Blut, durch das er unser Blut erhöht. Auch von dem Brot, das aus der Schöpfung kommt, versichert er, es sei sein Leib, durch den er unsern Leib erhöht. Wenn also der Kelch, in dem Wein und Wasser gemischt wurden, und das Brot, das bereitet wurde, das Wort Gottes aufnehmen und so zur Eucharistie des Leibes und Blutes Christi werden, durch die die Substanz unseres Fleisches erhöht wird und Bestand gewinnt, wie kann man dann leugnen, dass das Fleisch fähig ist, die Gabe Gottes, das ewige Leben, aufzunehmen! Denn es wird genährt mit dem Leib und Blut Christi und ist Glied Christi. Der Apostel Paulus bemerkt ja in seinem Brief an die Epheser: ‚Wir sind Glieder seines Leibes.'" (1. Jh, Lektionar zum Stundenbuch, Osterzeit 3, 92f.)

Wir können diese Gedanken Irenäus' von Lyon aufgreifend fortführen: So wie das Wort Gottes in der Jungfrau Maria Fleisch annahm und das Wort Gottes aus den Gaben von Brot und Wein Christi Fleisch und Blut werden lässt, so verbindet sich Christus durch diese Speise mit unserem Leib und unserer Seele und so werden wir jetzt schon hineingenommen in das uns verheißene ewige Leben.

Liebe Schwestern und Brüder,

das Geheimnis ist groß. Aber es öffnet unseren Blick für die Ewigkeit. Den Weg dorthin können wir nicht alleine gehen. Vom Ziel her werden wir auf die verwiesen, die mit uns unterwegs sind. Wir sind Glieder des Leibes Christi und so aufeinander verwiesen. Deshalb sollten wir den Blick aufeinander offen halten und füreinander einstehen. Amen.