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„Gott ist die Hoffnung, die alles Leben trägt“

Predigt von Diözesanadministrator Weihbischof Ulrich Boom beim Pontifikalgottesdienst am Sonntag, 31. Dezember 2017, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder!

In diesem Jahr fällt der Jahresschluss mit dem Fest der Heiligen Familie zusammen. Nicht dass die Heilige Familie uns eine heile Welt vorführt. Genauso wenig können wir auf ein heiles Jahr zurück blicken, wenn es auch große und schöne Ereignisse gab, zum Beispiel in unserer Diözese die Kilianiwoche, die Feier des 75. Geburtstages und des 25. Bischofsjubiläums von Bischof em. Friedhelm, das Gedenken an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren und das Gedenken des 400. Todestages von der prägenden Gestalt des Fürstbischofs Julius Echter.

Schauen wir auf die Heilige Familie. Sie hatte das Leben zu meistern in einer unheilen Welt, von Nazareth bis Betlehem, von der Krippe bis zum Kreuz, von der Herbergssuche bis zur Flucht. Im Unheil kommt Gott zur Welt und wird groß. Was das heißt, das hat vor 75 Jahren der Arzt und evangelische Pfarrer Kurt Reuber in der Stalingradmadonna ins Bild gesetzt. In der Schlacht um Stalingrad während des Zweiten Weltkrieges kamen über 700.000 Menschen ums Leben, Zivilisten und Soldaten, Deutsche, Sowjets und Verbündete. Für das Weihnachtsfest 1942 malte Reuber auf die Rückseite einer russischen Landkarte eine Madonna mit Kind, die in dieser Hölle Geborgenheit, Beziehung und Halt zur Sprache bringt. Er setzt die Worte aus dem Johannesevangelium hinzu: „Licht – Leben – Liebe“. Heute befindet sich das Bild in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin am Breitscheidplatz.

In dem Bild sind viele bergende Bewegungen. Eine hockende Frau trägt in ihren Armen unter dem Tuch ihrer Kopfbedeckung ein kleines Kind. Das neue Leben wird geschützt, damit es dem Kältetod und der Herzlosigkeit der Welt in all den Kämpfen und Auseinandersetzungen nicht zum Opfer fällt. „Licht – Leben – Liebe“, das Gegenteil von dem, was die Soldaten und all die Menschen in und um Stalingrad erfuhren, steht als Wunsch und Sehnsucht am Rand des Bildes.

Den Kessel von Stalingrad gibt es nicht mehr, da ist im wahrsten Sinne des Wortes Gras drüber gewachsen und wurde mit Denkmälern überbaut und überhöht. Doch was er beinhaltet ist geblieben, weltweit und bisweilen ganz nah. Die Kämpfe finden statt in der Politik, an den Arbeitsplätzen, in Gesellschaft und Familie. Die Stärkeren wollen siegen, und sie tun es.

Die Schriftlesungen am Fest der Heiligen Familie ermutigen uns heute in besonderer Weise auch im Blick auf ein neues, vor uns liegendes Jahr. Gott ist stärker als all das, was uns auf großer Bühne und im Alltag des Lebens klein macht und erniedrigt. Gott lässt die Hoffnung auf neues Leben nicht zugrunde gehen. Das erfährt Abraham – und Sara, obwohl sie es nicht glauben kann. Sie werden einen Nachkommen haben. Wo Demut und Vergebung, Zufriedenheit und Dankbarkeit gelebt werden, werden Gräben und Grenzen überwunden. So ermutigt und ermahnt der Apostel. Wo wie beim greisen Simeon und der alten Hanna Treue und Vertrauen in die Verheißungen Gottes im Herzen lebendig sind, sehen die Augen der Liebe in allem Unheil und Dunkel Licht und Heil. Am Abend eines Tages, am Abend eines Jahres, am Abend eines Lebens, so beten können wie Simeon im Evangelium: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hat, in Frieden scheiden“ (Lk 2,29). Wir brauchen die Welt nicht retten, sie ist gerettet. Sie ist kein hoffnungsloser Fall, weil Gott in dieser Menschheitsfamilie Mensch geworden ist.

Weil Gott auf diese Weise meinem, unserem Leben Hoffnung schenkt, darum dürfen wir den Menschen am Anfang und am Ende des Lebens, an den Grenzen unseres Landes und unserer Gesellschaft nicht fallen lassen. Gott ist die Hoffnung, die alles Leben trägt. Darum beten wir seit Jahrtausenden in den Psalmen: „Gott, mein Gott bist du, dich suche ich“. In seiner Menschwerdung ist er uns nahe gekommen. In Jesus, dem Christus, zeigt er uns seine Liebe und will uns Hoffnung und Zuversicht geben.

Vor uns liegt ein neues Jahr mit vielen Fragen und ungelösten Problemen. Das gilt im Blick auf die Gesellschaft global und national. So mancher von uns wird mit persönlichen Sorgen ins neue Jahr gehen. In den Wirren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft schrieb der evangelische Theologe, Journalist und Schriftsteller Jochen Klepper ein beeindruckendes Lied zum Jahreswechsel. Vor 75 Jahren, im Dezember 1942, nahm er sich mit seiner ganzen Familie, seine Frau war Jüdin, das Leben, weil er dem Druck und den Schikanen der Nazis nicht mehr standhalten konnte. Es ist ein Lied von Glaubenstiefe und Vertrauenskraft.

Der du die Zeit in Händen hast,

Herr, nimm auch dieses Jahres Last

und wandle sie in Segen.

Nun von dir selbst in Jesu Christ

die Mitte fest gewiesen ist,

führ uns dem Ziel entgegen!

Der du allein der Ew‘ge heißt

und Anfang, Ziel und Mitte weißt

im Fluge unsrer Zeiten:

Bleib du uns gnädig zugewandt

und führe uns an deiner Hand,

damit wir sicher schreiten. (GL 257, 1 u. 6)

Mit einem solchen Vertrauen können wir ein altes Jahr beschließen und uns einem neuen zuwenden. Amen.