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„Inspirierendes Zeugnis des Glaubens zweier Päpste“

Stellungnahme von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zur Enzyklika „Lumen Fidei“ von Papst Franziskus

Es ist ein einmaliges Ereignis in der Geschichte der Kirche, dass eine Enzyklika die Handschrift von zwei Päpsten trägt – noch dazu Handschriften, die unverwechselbar sind: die großen, manchmal abstrakten Bögen Benedikts, verbunden mit den klaren und konkreten Beispielen von Papst Franziskus. Franziskus greift – wie er selbst schreibt – auf die Vorlage der fast fertiggestellten Glaubensenzyklika seines Vorgängers zurück und ergänzt sie (LF 7), um als Nachfolger des Petrus dem Auftrag Jesu nachzukommen: „Stärke deine Brüder“ (Lk 22,23; LF 5). Zugleich stellt er damit die Kontinuität her zu den beiden Enzykliken Papst Benedikts zu den göttlichen Tugenden Liebe („Deus caritas“, 2005) und Hoffnung („Spe salvi“, 2007) und schließt diese Trilogie ab. Ein schönes und großartiges Zeichen der Verbundenheit mit seinem Vorgänger in dieser einmaligen Situation der neueren Kirchengeschichte.

Als eine „Arbeit von vier Händen“  bezeichnete Papst Franziskus selbst diese Enzyklika, die einen wirklichen Höhepunkt im Jahr des Glaubens darstellt, das Papst Benedikt XVI. anlässlich des 50. Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgerufen und das Papst Franziskus weitergeführt hat. Diese Enzyklika ist zugleich ein Bekenntnis unseres Heiligen Vaters zu diesem Konzil, das er als „Konzil des Glaubens“ (LF 6) bezeichnet: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Glauben innerhalb der menschlichen Erfahrung erstrahlen lassen und ist so den Weg des heutigen Menschen gegangen“ (LF 6).

Er knüpft deutlich an das große Anliegen seines Vorgängers an, die Vernunft des Glaubens in der Auseinandersetzung mit dem autonomen Menschen der modernen Welt zu begründen, der den Glauben nur als eine Illusion von Wahrheit, aber nicht als die Realität von Wahrheit verstehen möchte (LF 2-3). Will die Moderne den Glauben nur noch für die Bereiche zulassen, in denen die menschliche Vernunft nicht ausreicht, stellt Papst Franziskus heraus: „Das Licht des Glaubens besitzt nämlich eine ganz besondere Eigenart, da es fähig ist, das gesamte Sein des Menschen zu erleuchten.“ Der Glaube ist wirklich „ein Licht für unsere Finsternis“ (LF 4).

In einem ersten Kapitel meditiert Papst Franziskus in drei Stationen den Glauben in seiner geschichtlichen Wirklichkeit und Entfaltung. Denn der Glaube ist ein Weggeleit durch die Geschichte (LF 8). Gerade die Heilige Schrift erzählt von den Wegen der Menschen, die sie im Glauben gegangen sind. Von besonderer Bedeutung ist hier die Gestalt des Abraham, die der Papst als erste meditiert (LF 8‑11). In ihm kann man den persönlichen Charakter des Glaubens erkennen, der vom Hören kommt: Gott spricht Abraham an und Abraham horcht und gehorcht. „Der Glaube ist die Antwort auf ein Wort, das eine persönliche Anrede ist, auf ein Du, das uns bei unserem Namen ruft“ (LF 8). Der Glaube schenkt auch eine neue Sicht auf die Welt und das Leben, indem er eine Verheißung schenkt. Als Erinnerung an die Zukunft ist der Glaube eng mit der Hoffnung verbunden. Darüber hinaus lässt sich an Abraham erkennen, dass der Glaube ein tragfähiges und festes Fundament bietet, das neue Möglichkeiten des Lebens eröffnet.

Im Anschluss an Abraham meditiert der Heilige Vater die Geschichte des Volkes Israel als eine besondere Geschichte des Glaubens (LF 12-14). Er entdeckt in dieser Geschichte, dass der Glaube in die Freiheit führt und die gegebenen Verheißungen des treuen Gottes erfüllt, wie Gott Israel aus der Sklaverei Ägyptens befreit hat. Gleichzeitig kann man in der Geschichte Israels aber auch die Versuchung des Unglaubens finden; eine Verweigerung gegenüber dem Anruf Gottes, denn der „Glaube besteht in der Bereitschaft, sich immer neu vom Ruf Gottes verwandeln zu lassen“ (LF 13). In dieser Geschichte des Volkes Israel lässt sich schließlich erkennen, dass der Glaube des Einzelnen immer geborgen und getragen ist in der Gemeinschaft der Glaubenden. Der andere und die Gemeinschaft sind für meinen Glauben nötig. „In der Begegnung mit den anderen öffnet sich der Blick für die Wahrheit, die größer ist, als wir selbst“ (LF 14).

Die Geschichte des Glaubens ist eine Geschichte der Treue. Zuerst der Treue Gottes zu den Menschen, aber auch die Geschichte gläubiger Treue des Menschen zu Gott. Seine Fülle findet diese Geschichte schließlich in Jesus Christus (LF 15-22), denn die „Geschichte Jesu Christi ist der vollkommene Erweis der Verlässlichkeit Gottes […] Der christliche Glaube hat seinen Mittelpunkt in Jesus Christus; er ist das Bekenntnis, dass Jesus der Herr ist und dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat (vgl. Röm 10,9) […] Der christliche Glaube ist also ein Glaube an die vollkommene Liebe, an ihre wirkungsvolle Macht, an ihre Fähigkeit, die Welt zu verwandeln und die Zeiten zu erhellen.“ (LF 15). Diese Verlässlichkeit und Treue Gottes zeigt sich und gipfelt zugleich in der Lebenshingabe Jesu und seiner Auferweckung. Diese Fülle des Glaubens schenkt wirkliches Heil und kann erfahren werden in seiner kirchlichen Gestalt.

Im zweiten Kapitel, in dem in verschiedenen Anläufen die unterschiedlichen Verhältnisse und Zusammenhänge betrachtet werden, die der Glaube einnimmt zu Wahrheit, Vernunft, Erkenntnis und Liebe, spürt man wohl am deutlichsten die Handschrift von Papst Benedikt, kommt doch dessen „Lieblingstheologe“, der heilige Augustinus, hier am häufigsten zu Wort. „Der Mensch braucht Erkenntnis, er braucht Wahrheit, denn ohne sie hat er keinen Halt, kommt er nicht voran. Glaube ohne Wahrheit rettet nicht, gibt unseren Schritten keine Sicherheit […] Aber gerade durch seine innere Verbindung mit der Wahrheit ist der Glaube fähig, ein neues Licht zu bieten“ (LF 24).

So stellt der Papst fest: „An die Verbindung des Glaubens mit der Wahrheit zu erinnern, ist heute nötiger denn je, gerade wegen der Wahrheitskrise, in der wir leben“ (LF 25), weil die heutige Kultur nur als wahr gelten lassen will, was wissenschaftlich konstruierbar ist,  technisch funktioniert und dem Menschen nützlich ist. „Die große Wahrheit, die Wahrheit, die das Ganze des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens erklärt, wird mit Argwohn betrachtet“ (LF 25). Gerade aber um diese große Wahrheit des Ganzen geht es dem Glauben und der Religion. Der christliche Glaube hilft nicht nur die große Wahrheit zu erkennen, sondern auch die Liebe, ohne die „die Wahrheit kalt, unpersönlich und erdrückend für das konkrete Leben des Menschen“ (LF 27) wird.

Genauso braucht aber auch die Liebe die Wahrheit, weil sie nur so Bestand erlangt und zur Treue fähig wird. Zwischen Glauben und Vernunft besteht in christlicher Sicht kein Gegensatz, sondern ein Dialog (LF 32). „Das dem Glauben eigene Licht der Liebe kann die Fragen unserer Zeit über die Wahrheit erhellen“ (LF 34), denn Wahrheit ist mehr als die subjektive Authentizität des Einzelnen in seinem individuellen Leben. Sie benötigt die Begegnung mit dem anderen und den Rahmen der Gemeinschaft.

Zu diesem Dialog gehört auch der Dialog mit den Anhängern anderer Religionen, denn das „Licht des Glaubens an Jesus erhellt auch den Weg aller, die Gott suchen“ (LF 35). Am Schluss dieses Kapitels kommt der Papst auch auf das Verhältnis von Glaube und Theologie zu sprechen und stellt heraus, „dass Theologie ohne Glauben unmöglich ist und dass sie zur Bewegung des Glaubens selbst gehört, der die Selbstoffenbarung Gottes, die im Geheimnis Christi gipfelte, tiefer zu verstehen sucht […] Zur Theologie gehören daher die Demut, sich von Gott anrühren zu lassen, und die Disziplin, die sich der Ordnung der Vernunft verpflichtet“ (LF 36).

„Wer sich der Liebe Gottes geöffnet hat, wer seine Stimme gehört und sein Licht empfangen hat, der kann diese Gabe nicht für sich behalten“ (LF 37). Mit dieser Feststellung eröffnet das dritte Kapitel der Glaubensenzyklika über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Weitergabe des Glaubens.

Der Glaube lebt davon, dass er gelebt, bekannt und weitergegeben wird. Denn da „der Glaube aus einer Bewegung innerhalb der Geschichte hervorgeht und unseren Weg in der Zeit erleuchtet, muss er durch die Zeiten hindurch weitergegeben werden“ (LF 38). Das ist vielleicht die besondere Not unserer Zeit in der westlichen Welt, der mit den Versuchen einer Neuevangelisierung begegnet werden soll.

Für die Weitergabe des Glaubens sind glaubwürdige und überzeugende Menschen nötig. Eine wichtige Aufgabe der Glaubensweitergabe kommt dem Raum der Kirche zu, denn „es ist unmöglich allein zu glauben. Der Glaube ist nicht bloß eine individuelle Option, die im Innersten des Glaubenden geschieht, er ist keine isolierte Beziehung zwischen dem ‚Ich‘ des Gläubigen und dem göttlichen ‚Du‘, zwischen dem autonomen Subjekt und Gott. Der Glaube öffnet sich von Natur aus auf das ‚Wir‘ hin und vollzieht sich immer innerhalb der Gemeinschaft der Kirche“ (LF 39).

Im Rahmen und Raum der Kirche sind besonders die Feiern der Sakramente wichtige Orte der Glaubensweitergabe. Der Glaube braucht die liturgische Feier und er braucht auch die caritative Tat, denn er ist mehr als nur eine Lehre, deren Inhalt und Idee weitergegeben werden müssten. So kommt auch den Sakramenten wesentliche Bedeutung für die Neuevangelisierung zu, ja das ganze Leben eines Gläubigen besitzt sakramentalen Charakter. „Die Wiederbelebung des Glaubens führt über die Wiederbelebung eines neuen sakramentalen Sinn des Lebens der Menschen und der christlichen Existenz. Dabei zeigt sich, wie das Sichtbare und Materielle sich auf das Geheimnis der Ewigkeit hin öffnen“ (LF 40). Dies äußert sich im Bekenntnis, im Gebet und im Halten der Gebote, die naturgemäß Gegenstand der Glaubensverkündigung der Kirche sind (LF 46).

Das vierte und letzte Kapitel ist in besonderer Weise der sozialen Dimension des Glaubens gewidmet, denn der „Glaube ruft nicht nur eine innere Festigkeit wach, eine feste Überzeugung des Glaubenden; er erleuchtet auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, weil er aus der Liebe kommt und der Dynamik der Liebe Gottes folgt“ (LF 50). Wirklicher Glaube äußert sich deshalb im „konkreten Dienst der Gerechtigkeit, des Rechts und des Friedens“ (LF 51).

Christlicher Glaube kann deshalb nie Weltflucht sein. „Der Glaube entfernt sich nicht von der Welt und steht dem konkreten Einsatz unserer Zeitgenossen nicht unbeteiligt gegenüber […er wird] zu einem Dienst am Gemeinwohl“ (LF 51). In diesem Zusammenhang verweist der Papst als erstes auf die Familie als einem solchen vom Glauben gestalteten Bereich. Er schreibt: „Vor allem denke ich an die dauerhafte Verbindung von Mann und Frau in der Ehe. Sie entsteht aus ihrer Liebe, die Zeichen und Gegenwart der Liebe Gottes ist, und geht aus der Anerkennung und der Annahme des Gutes der geschlechtlichen Verschiedenheit hervor, durch welche die Ehegatten sich zu einem Fleisch verbinden können (vgl. Gen 2,24) und fähig sind, neues Leben zu zeugen, das Ausdruck der Güte des Schöpfers, seiner Weisheit und des Plans seiner Liebe ist“ (LF 52). Der Glaube begleitet und prägt das ganze Leben der Familie und lässt die Berufung zu Liebe und Treue entdecken.

Von der Familie aus wirkt die soziale Dimension des Glaubens in die Gesellschaft hinein. Das Projekt der „Moderne“, „eine universale Brüderlichkeit unter den Menschen aufzubauen auf der Grundlage ihrer Gleichheit“, hat sein wahres und beständiges Fundament im Glauben, der zu sehen lehrt, „dass in jedem Menschen ein Segen für mich gegeben ist, dass das Licht des Antlitzes Gottes mich durch das Gesicht des Bruders erleuchtet“ (LF 54). Der Papst verweist weiterhin auf die vielfältigen Wohltaten, die diese christliche Sicht der sozialen Gemeinschaft gebracht hat durch die Jahrhunderte hindurch, aber auch auf die Kraft, die der Glaube in und gegen das Leiden gibt. „Das Licht des Glaubens lässt uns nicht die Leiden der Welt vergessen […] Das Leiden erinnert uns daran, dass der Dienst des Glaubens am Gemeinwohl immer ein Dienst ist, der vorwärts blickt“ (LF 57).

Zum Abschluss betrachtet er Maria als die exemplarisch Glaubende und wendet sich im Gebet an sie.

Die Enzyklika „Lumen Fidei“ ist ein großes Geschenk von Papst Franziskus, in dem er die Gedanken seines Vorgängers aufgreift und auf seine eigene Weise weiterführt. Sie ist ein inspirierendes Zeugnis des Glaubens zweier Päpste und macht Mut, den eigenen Glauben zu bedenken und zu vertiefen.

Für uns im Bistum Würzburg ist diese Enzyklika darüber hinaus noch aus einem anderen Grund ein großes Geschenk, fällt doch ihre Veröffentlichung zusammen mit unserer großen Wallfahrtswoche zu Ehren der Frankenheiligen Kilian, Kolonat und Totnan, deren Zeugnis den christlichen Glauben in unserer fränkischen Heimat grundgelegt hat. Sie haben ihn mit ihrem Blut bezeugt.

Der Heilige Vater ermutigt uns mit dieser Enzyklika, auch gerade in dieser Festwoche den Glauben zu bekennen, zu bedenken und zu vertiefen. Die Kilianiwoche steht im Jahr des Glaubens unter dem Leitwort „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ (Ps 27,8). Von diesem Angesicht des Herrn geht das Licht des Glaubens aus. Beten wir darum, dass dieses Licht des Glaubens sichtbar wird im Angesicht, im Beten und im Tun jedes einzelnen Gläubigen.

(2813/0715; E-Mail voraus)

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