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„Jesus Christus als der große Liebesbeweis“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Hochfest Allerheiligen, 1. November 2013, im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt,

in der heutigen Zeit erleben wir zunehmend, dass Menschen zu Religion, Glaube und Kirche Abstand nehmen. Das Sprechen von Gott, von Ewigem Leben, Himmel und Hölle ist ihnen großenteils suspekt. Die einen sagen: Religion ist Opium für das Volk und die anderen: Mir geht es gut, was brauche ich einen Gott. Noch schwieriger wird es, wenn die Frage nach dem Theodizeeproblem gestellt wird: Wie kann Gott das Leiden in der Welt zulassen?

Antworten wie „Die Erschaffung des Weltalls aus dem Nichts muss einen Anfang haben, der von außen gesetzt wurde“, und „Aus Nichts kommt nichts“ – ein alter Kernsatz – stoßen auf Achselzucken. Das Weltall muss einen Schöpfer haben, auch wenn es – wie eine Theorie besagt – mit dem Urknall begonnen hat. Wo kommt der her? Wie entstand Materie?

Ebenso können die Naturgesetze nicht aus sich selbst entstanden sein. Man könnte milliardenfach die einzelnen Buchstaben eines Lexikons in die Luft werfen, ohne dass ein in sich geordnetes Lexikon herunter fallen würde. Wir Menschen können nur die Naturgesetze erkennen und anwenden. Sie selbst machen können wir nicht.

Die Fragen „Was ist Liebe?“, „Was ist Kunst?“, „Was ist Schönheit?“ lassen sich ohne Hinweis auf einen Gott nicht ergründen. Und trotzdem, Gott wird als störend, als in die eigene Freiheit eingreifend abgelehnt.

Auf die Frage „Warum lässt Gott das Leid in der Welt zu?“ hilft oft auch nicht der Hinweis auf die Freiheit des Menschen, der diese missbrauchen und damit großes Leid in die Welt bringen kann – wie wir alle täglich aus den Medien erfahren. Gott schätzt ohne Frage die Freiheit des Menschen so hoch ein, dass die darin für ihn getroffene Entscheidung viel mehr wiegt als das Böse, das auch gewählt werden kann.

In Lourdes habe ich – angesichts des großen Elends und Leids tausender Menschen – die Erfahrung gemacht, dass aufgrund des Leides eine solche Hilfsbereitschaft und Empathie mit den Leidenden bei vielen – oft auch recht jungen – Menschen geweckt wird, dass hier auf einmal eine Liebe zum Tragen kommt, die ohne das sichtbare Leiden nicht geweckt worden wäre.

Am heutigen Allerheiligenfest lässt uns der heilige Johannes, ein Augen- und Ohrenzeuge Jesu, in seiner Offenbarung, die er am Ende des ersten Jahrhunderts in der Verbannung auf der Insel Patmos aufgeschrieben hat, einen Blick in den Himmel werfen. Wir haben hier in Würzburg vor wenigen Jahren ein ganzes Jahr darauf verwendet, diese großartigen Visionen in unsere Zeit hinein zu entschlüsseln. Dennoch können wir sie mit menschlichen Gedanken, Vorstellungen und Begriffen nicht erfassen. Die Realität des Himmels ist offensichtlich so anders, dass sie sich letztlich unserem rationalen Zugriff entzieht und nur in Gleichnissen, Parabeln und Metaphern berührt werden kann.

Anders ist es schon bei der heutigen zweiten Lesung. Da hören wir im ersten Johannesbrief: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“ Hier wird von der unermesslichen Liebe Gottes zu uns gesprochen.

„Wer nicht an Gott glaubt und wer Jesus Christus nicht kennt, wird nie verstehen, was das überhaupt heißen soll: Kind Gottes sein. Es heißt vor allem: von Gott geliebt und angenommen sein, ganz und endgültig.“ Wer sich in die offenen Arme Gottes fallen lassen kann, erfährt ein unvorstellbar großes Glück. Dies kann man sich nicht einbilden. Dies ist erfahrbare Realität. So wie man sich der Liebe eines Menschen sicher sein kann, ohne dies beweisen zu können, so kann man die Liebe Gottes als tragendes Lebensfundament in sich selbst erfahren. Das heißt aber nicht, dass man leichter durch das Leben kommt als andere.

Das heißt auch nicht, dass man keine Leiderfahrungen mehr macht – im Gegenteil. Manches Mal, denke ich, haben glaubende Menschen mehr zu ertragen als andere. Die große Theresa von Avila, die viel zu leiden hatte, soll einmal Gott gefragt haben: „Herr, warum lässt Du mich so leiden?“ Darauf hat er ihr geantwortet: „So gehe ich immer mit meinen Freunden um.“ Diese Antwort kann man nur verstehen, wenn man zuerst das Leiden Jesu Christi für uns als den großen Liebesbeweis Gottes an die Menschheit begreift. Die ausgebreiteten Arme mit den angenagelten Händen sind eine sprechende Geste. Gott würdigt uns, das Leid der Welt wegzulieben. 

Hinter allem Zerbrechlichen und Ungenügenden in unserer Welt leuchtet uns die Verheißung des Himmels als Ziel unseres Lebens auf. Die im Evangelium verkündete Bergpredigt spricht uns von Gottes Gerechtigkeit und Liebe und fordert uns auf, mit an einer besseren Welt zu arbeiten. Der Kernsatz lautet: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ Freuen wir uns, dass die Heiligen dieses Ziel erreicht haben.

Amen.