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„Von herzhafter Frömmigkeit“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Dankgottesdienst zum 100. Geburtstag von Julius Kardinal Döpfner im Neumünster am 26. August 2013

Lieber Erzbischof Zollitsch,

liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonendienst,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

es trifft sich gut, dass wir heute, am Ende des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz, hier im Neumünster ein Dankamt für Julius Kardinal Döpfner feiern dürfen. Denn heute, am 26. August 2013, wäre er hundert Jahre alt geworden.

Hier im Neumünster wurde er am 14. Oktober 1948 zum Bischof geweiht, da der Kiliansdom noch zerstört war. Hier im Neumünster feierte er inmitten der zerstörten und ausgebrannten Stadt bis 1957 als Bischof von Würzburg die Pontifikalgottesdienste.

In den letzten Wochen und Monaten ist vieles in Symposien, Tagungen und Begegnungen aus dem Leben von Julius Döpfner, einem Sohn unseres Frankenlandes, gesagt worden. Kardinal Lehmann hat ihm mit seinem Vortrag Ende Juni in Bad Kissingen, der inzwischen auch als Buch gedruckt vorliegt, ein geistliches Denkmal gesetzt. Er bezeichnet darin den in dem kleinen Ort Hausen bei Bad Kissingen geborenen Julius Döpfner als „Seelsorger von herzhafter Frömmigkeit.“ Das Büchlein trägt den Titel „Brückenbauer in einer Zeit des Übergangs.“ Darin beleuchtet er seinen Werdegang auf den Gymnasien in Münnerstadt und Würzburg, sein Theologiestudium in Würzburg und Rom und seine Priester- und Bischofsjahre in den Diözesen Würzburg, Berlin und München. Sein Wirken im Spannungsfeld von Kirche, Politik und Öffentlichkeit, sein Selbstverständnis als Kirchenmann, seine Kreuzesspiritualität als Liebeserklärung an Gott und die Welt ist darin ebenso bedacht worden wie seine außerordentlich wichtige Rolle beim II. Vatikanischen Konzil.

Heute möchte ich ihn – im Rückblick auf den 100. Geburtstag – weitgehend selbst zu Wort kommen lassen.

In seiner Rundfunkansprache am 11. Juni 1976 – also gut einen Monat vor seinem Tod am 24. Juli – sprach er dezidiert von „Meine(n) fränkischen Jahre(n)“. Er lenkte den Blick auf seine Herkunft, Kindheit, Reifung und die Bischofsjahre in Würzburg.

In diesen seinen Erinnerungen, die er gleichsam in Stichworten zusammenfasste, sprach er als erstes von seiner fränkischen Heimat. Ihn freute es, dass er als Unterfranke aus der Vorderrhön Nachfolger des in der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft gereiften mittelfränkischen Bischofs Matthias Ehrenfried werden durfte. Wörtlich: „Ich selbst habe dieses Land und seine Menschen von Anfang an innig geliebt und bin im Laufe der kommenden Jahre immer mehr hineingewachsen.“

In der Nachfolge der Apostel stand er als 85. Bischof von Würzburg einer Diözese vor, die er liebte. „Welch eine reiche Palette bieten dieses Land und seine Menschen in ihrer Vielfalt“, sagte er. „Da ist der Fluss, der Main, der es schier nicht über sich bringt, Unterfranken zu verlassen und darum seine langsamen Schleifen zieht, im Maindreieck und Mainviereck; dieser Fluss mit seinen Weinbergen und romantischen Dörfern und Städtchen, mit den so ganz verschiedenen Zentren.“ Dann benennt er Schweinfurt, wo er zwei Jahre Kaplan war und ebenso „das einzigartige Würzburg…und ganz im Westen Aschaffenburg“.

Besonders erwähnt er das „Heilige Franken“, das vom Heiligen Kilian, dem irischen Wanderbischof geprägt sei. Unvergesslich für ihn war dabei die Rückführung der Kiliansreliquien im Sommer 1949 von Gerolzhofen „in die notdürftig gerichtete Neumünster-Kirche“ in Würzburg. Nachdem ich einige Aufnahmen von dieser Reliquienprozession gesehen habe, muss auch ich sagen, dass ich noch im Nachhinein von den tausenden und abertausenden Menschen, die dieses Ereignis begleitet haben, überwältigt bin.

Kardinal Döpfner erwähnte eigens noch das große Kiliansjahr 1952, in dem die 1200-Jahr-Feier der Erhebung der Gebeine der Frankenapostel gefeiert wurde. Der erste Würzburger Bischof, der heilige Burkhard, hatte damit den Beginn der großen Kiliansverehrung geschaffen, die uns als großes Vermächtnis aufgetragen ist.

Ich freue mich deshalb besonders, dass auch heuer in der Kilianifestwoche rund 18.000 Menschen an den feierlichen Gottesdiensten teilgenommen haben.

Bischof Julius sah das Frankenland besonders gerne als Marienland. 1954 hatte er einen gleichlautenden Hirtenbrief veröffentlicht. Ihm war diese Marienfrömmigkeit ins Herz eingeschrieben. Und so formulierte er: „Gewiss auch anderwärts gibt es marianische Frömmigkeit in katholischen Gegenden. Aber Franken hat auch hier seine besonderen Akzente, wenn ich etwa an das Käppele in Würzburg denke, an die vielen kleinen und größeren Marienwallfahrtsorte und Marienbilder, die sich gerade dort so häufig an den Wänden der Häuser und in der Landschaft finden.“

Im nächsten Jahr wollen wir im Rahmen der bayerischen Bistümer die Marienweihe unseres Bistums Würzburg am 17. Mai 2014 in Retzbach, bei Maria im Grünen Tal, feierlich bekräftigen. Dazu werden alle bayerischen Ortsbischöfe kommen – und hoffentlich auch viele Würzburger Diözesanen!

Eigens erwähnte Bischof Julius aber auch die zweite Kreuzwegstation vor seinem Elternhaus in Hausen: „Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern“. Dieser Kreuzweg führte zum Friedhof, ließ aber auf der Wegstrecke auch den Blick auf den Kreuzberg frei. Beides, so sagte Kardinal Döpfner, habe ihn bewogen, als Wahlspruch für sein bischöfliches Wirken, das Wort des Apostel Paulus aus dem 1 Korintherbrief (1,22) zu wählen: „Wir verkünden den Gekreuzigten“. Dazu bemerkte er am Ende seines Lebens: „…der sich erinnernde Rückblick ist wie ein Stachel, der mich bis heute treibt, wie eine bohrende Gewissenserforschung.“

Sein Blick zurück macht deutlich, mit welcher Leidenschaft er durch das Bistum gezogen ist und die Botschaft vom Kreuz verkündigt hat. Im Hirtenbrief schrieb er: „Um des Gekreuzigten willen beschwöre ich Euch: Lasst den Herrn in den notleidenden Brüder nicht vergeblich rufen. Sonst entfernt das Kreuz von allen Wänden, holt es von allen Türmen; denn es ruft das Gericht über ein Land, das sich christlich nennt und das Gesetz der Selbstsucht und des Hasses erfüllt.“

Als 1977 zur Erinnerung an Kardinal Döpfner der Rhönklub den Wanderweg vom Kreuzberg über den Guckaspass zum Feuerberg bis zum Würzburger Haus auf dem Farnsberg ‚Julius-Kardinal-Döpfner-Weg’ nannte, da erinnerte man sich auch gerne daran, dass er in Sandberg öfters Schafkopf gespielt habe, in der Kissinger Hütte gerne eingekehrt sei und der Kreuzberg sein Lieblingsort gewesen sei. (Vgl. Würzburger Sonntagsblatt, 21.07.13, 32)

Mit dem Blick auf die heutige Tageslesung wird seine konsequente Kreuzesnachfolge in seinem Dienst als Bischof deutlich. Dort schreibt der heilige Paulus im Römerbrief: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: ‚Jesus ist der Herr’ und in deinem Herzen glaubst: ‚Gott hat ihn von den Toten auferweckt’, so wirst du gerettet werden.“ (Röm 10,9) Und wenig später heißt es: „…jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?“ (Röm 10,13-15) In diesem Sinne verpflichtete er sich auf seinen Wahlspruch und wollte als Gesandter Christi unermüdlich die Frohe Botschaft verkündigen, damit diese in der gelebten Nächstenliebe reiche Frucht bringt. Wörtlich schrieb er: „Im Zeichen meines Wahlspruchs will ich der erste Kreuzträger meines Bistums sein.“

Die Not seiner Zeit mit Hunger, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot war ihm Mahnung und Ansporn, auch die materiellen Nöte der Nachkriegsjahre zu lindern. So gründete er unter anderem das Sankt Bruno-Werk, das bis heute seine Bedeutung nicht verloren hat. Er selbst zitierte in seiner Rundfunkansprache das durch ihn verbreitete Wort „Wohnungsbau ist heute in Wahrheit Dombau. Wohnungssorge ist Seelsorge.“

Zugleich führte er aber auch den Kampf um die Erhaltung der Grundwerte – ein Kampf, der heute noch andauert. Gegenüber den kommenden Bedrohungen und Gefahren, die er heraufziehen sah, führte er eine klare Sprache. Wörtlich: „Noch lag der Schock über das ganze Ausmaß, mit dem unter dem Nationalsozialismus die Heiligkeit des Lebens missachtet worden war, über uns allen, da begann schon die Propaganda für die Legalisierung der Abtreibung.“

Ebenso beklagte er, dass die Christen die persönliche und gesellschaftliche Verantwortung ihrer christlichen Berufung – wörtlich – „inmitten einer permissiven, weithin zersplitterten Gesellschaft so wenig wahrnehmen.“ Spüren wir, dass wir auch heute noch – wenn nicht sogar verschärft – die gleichen Probleme und noch einige mehr zu lösen haben?

In seiner Bischofszeit hatte Julius Döpfner aber auch einen Blick für den Aufbau der zerstörten Kirchen. In seinen acht Würzburger Bischofsjahren hat er nach eigenen Aussagen 43 Kirchen neu gebaut und 48 wiederhergestellt oder erweitert. Dazu bemerkte er: „…das Kirchenbauen gehört zu den kostbarsten Erinnerungen meiner fränkischen Jahre“.

Und in der Tat, er hatte das Glück hervorragende Künstler und Mitarbeiter zu haben, wie Georg Meistermann und den Diözesanbaumeister Hans Schädel. Noch heute sind die durch ihn ermöglichten Meilensteine der Moderne zu bewundern und haben den Ruf Würzburgs weit über die eigenen Grenzen hinausgetragen. Wie Julius Echter in seiner schweren Zeit durch die vielen markanten Kirchtürme das Land geortet hat, so Bischof Döpfner durch den Kirchen- und Wohnungsbau in der armseligen Nachkriegszeit.

Aber auch das Burkardus-Haus, das zurzeit gründlich renoviert wird, wurde von ihm gegründet. Bis heute ist es unter anderem – wie er schon damals sagte – „der Sitz der Domschule, eines früh entstandenen Erwachsenenbildungswerkes… die Zentrale der Verbandsstellen und der Sitz der ganzen Laienarbeit.“

Gerade das Stichwort ‚Laienarbeit’ ist im Blick auf diesen Bischof besonders zu betonen. So sagte er in seiner Silvesterpredigt 1952 : „Wir Seelsorger fürchten nicht euer selbständiges Planen und Wirken, sondern wünschen es aus sehnsüchtigem Herzen. Wir wollen in euch Mitarbeiter sehen, die in eigener, freudiger, selbständiger Verantwortung ihre Aufgabe erkennen.“ 

Trotz des immer wieder zitierten Vorfalles 1953 in Ochsenfurt, wo er vor der Segnung einer Zuckerfabrik abgefahren war, weil entgegen getroffener Absprachen der evangelische Dekan bei der Segnung mitwirken wollte, darf festgehalten werden, dass Ökumene sein großes Anliegen war, dem er in seinen Predigten aber auch in den vielen Begegnungen mit den evangelischen Christen Ausdruck verlieh. Er hat sehr darunter gelitten, dass man ihm aufgrund des Ochsenfurter Vorfalls das Image eines „sturen, konfessionell engherzigen Kirchenmannes“ (vgl. Lehmann: Brückenbauer in einer Zeit des Übergangs, 20) angedichtet hatte.

Liebe Schwestern und Brüder,

noch vieles wäre zu diesem großen Bischof zu sagen, der mit nur 35 Jahren den Würzburger Hirtenstab übernahm: zum Beispiel über seine vier Jahre im geteilten Berlin, seine Münchener Bischofszeit, seinen Vorsitz in der Deutschen Bischofskonferenz, seine große Bedeutung für die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, kurz Würzburger Synode genannt, und nicht zuletzt seine Bedeutung als einer der vier Moderatoren für das II. Vatikanische Konzil. Er hat großen Anteil am Zustandekommen der großen, wegweisenden Konzilsdokumente, z.B. am Dekret über die Ökumene, an der Erklärung über das Verhältnis zu den nicht christlichen Religionen und an der Pastoralkonstitution.

Seine tiefe Gottverbundenheit, die sich in einer gelebten herzhaften Frömmigkeit zeigte, machte ihn offen für die Fragen seiner Mitmenschen. Einerseits von einer klaren Entschiedenheit für die Konsequenzen aus der Kreuzesnachfolge bestimmt, war er andererseits doch auch betroffen von den Nöten, die eine zeitgemäße Pastoral erforderlich machte. Er flüchtete immer wieder bei Lösungsversuchen zum Kreuz, unter das er sein Leben gestellt hatte. Er vertraute sich immer wieder dem fürbittenden Gebet seiner Mitmenschen an.

Erhellend ist auch seine Aussage in einer seiner Rundfunkansprachen: „Ich darf einmal ganz offen gestehen: Ich habe als Prediger und als Bischof noch nicht eine Sekunde die Versuchung gespürt, dass ich in diesem Beruf ein vollkommeneres Christenleben führe, als mein Vater und meine Mutter es getan haben. Wenn ich mit meiner Berufung den Ruf des Herrn so ernst nehme wie meine Eltern und so viele ganz schlichte und einfache Christen in ihrem Beruf, in ihrem Ehestand, dann danke ich Gott von ganzem Herzen.“ (Ebd. 57) 

Liebe Schwestern und Brüder,

Den Vers 8 aus Psalm 27 „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“, den er wenigeTage vor seinem Tod in der Rundfunkansprache zitiert hat, habe ich in unserem Bistum als Leitgedanken über dieses Jahr 2013 gestellt. Möge uns das von Julius Kardinal Döpfner überkommene Erbe ermutigen, heute durch unser Beten und Tun das Antlitz des Herrn in unserer Zeit zu suchen. Amen.