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„Wir müssen uns nur von Gott finden lassen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am ersten Weihnachtstag, 25. Dezember 2014, im Würzburger Kiliansdom

Die Nobelpreisträgerin Nelly Sachs (1891-1970 hat die bekannten Worte gesagt: „Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr...und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf. Fing nicht auch deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?“

Liebe Schwestern und Brüder,

ist es nicht wirklich so, dass die Sehnsucht der Motor unseres Denkens und Handelns ist? Und ist Gott nicht immer unserer Sehnsucht einen Schritt voraus? Wir sehnen uns nach Freundschaft und Liebe, nach Gerechtigkeit und Friede, nach Gesundheit und Arbeit - und damit verbunden nach Besitz und nach Geld. Aber greift unsere Sehnsucht eigentlich nicht noch weiter? Sehnen wir uns nicht nach einem gelingenden Leben, nach einem Leben in Fülle, nach Gott? Edith Stein hat einmal gesagt: „Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott; ob er es weiß oder nicht!“

Unser Weihnachtsfest offenbart die Sehnsucht in zwei Richtungen: die Sehnsucht Gottes nach uns und unsere Sehnsucht nach Gott. Wir müssen uns nur von Gott finden lassen.Die Texte des heutigen Festtages sind von einer solchen Dichte, so dass sie uns leicht überfordern. Wir hören vom „Wort aus dem Schweigen, (vom) Licht in eine dunkle Welt hinein, (vom) Leben das stärker ist als der Tod.

Der Evangelist Johannes bringt in seinem eben gehörten Prolog Gedanken ein, die geradezu sprachlos machen. „Ewig spricht Gott sein eigenes Wesen aus in dem Wort, das Licht ist von Gottes Licht und Glut von seiner Glut.“, heißt es dazu in einem Kommentar. Gott liefert sich in seiner Menschwerdung an die Menschheit aus.

Das kleine wehrlose Kind in Betlehem stirbt später als verspotteter König der Juden am Kreuz. Aber dieser Weg Gottes zu uns ist unumkehrbar. - Spüren wir seine unermessliche Sehnsucht nach uns, die das, was alles geschehen ist und auch heute geschieht, zulässt? Und denken wir daran, dass nach dem Karfreitag der Ostersonntag, der Tag der Auferstehung von den Toten, kam?

Wenn uns Weihnachten innerlich berührt, wenn wir über rein emotionale Gefühle hinaus uns diesem unfassbaren Geschehen öffnen, es an uns heranlassen, dann bricht in uns eine Sehnsucht nach Gott auf, die uns mitten in das Abenteuer unseres Glaubens führt. Edith Stein, die für ihr jüdisches Volk in die Gaskammern nach Auschwitz ging, schrieb einmal vom Heiligen Abend: „Wenn am Abend Lichterbäume brennen und die Gaben getauscht werden, da dringt die unerfüllte Sehnsucht immer noch hinaus, nach einem anderen Lichtglanz, bis ... das Wunder der heiligen Nacht sich auf licht- und blumengeschmückten Altären erneuert: ‚Und das Wort ist Fleisch geworden...‘“

Die Menschwerdung Gottes aus dem Wort, dass bei Gott war und das Gott war und durch das alles, was ist, geworden ist (vgl. Joh 1,1f.), hat zur Folge, dass Christus als der von den Toten Auferstandene bei uns bleibt bis zum Ende der Zeit.

Die Krippenfigur des Christkindes bleibt eine Visualisierungshilfe, um sich dieses Geschehens bewusst zu werden. Im Tabernakel aber bleibt Christus durch die Weltzeit real gegenwärtig. Dieses Geheimnis seiner Gegenwart bleibt damit aber auch ein Anruf an uns, sich dieser Wirklichkeit zu stellen.  

Auch hierzu möchte ich Edith Stein, die große Wissenschaftlerin und Frauenpersönlichkeit des 20. Jahrhunderts zitieren: „Der Herr ist im Tabernakel gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit. Er ist das nicht seinetwegen, sondern unseretwegen: weil es seine Freude ist, bei den Menschenkindern zu sein. Und weil er weiß, dass wir, so wie wir nun einmal sind, seine persönliche Nähe brauchen. Die Konsequenz ist für jeden natürlich Denkenden und Fühlenden, dass er sich hingezogen fühlt und dort ist, so oft und so lange er darf.“  Lassen wir unserer Sehnsucht in der Anbetung freien Raum. Amen.