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„Wir sind die zur Liebe Eingeladenen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am ersten Weihnachtsfeiertag, 25. Dezember, im Kiliansdom Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

vor wenigen Tagen berichtete die New York Times – und in ihrem Gefolge viele Zeitungen –, dass in einer New Yorker Kirche ein neugeborenes Kind ausgesetzt worden war. Der Küster entdeckte den erst wenige Stunden alten Jungen in der noch leeren Weihnachtskrippe zwischen Ochs und Esel. Das Baby wurde in eine Klinik gebracht und ärztlich versorgt. Eine Amerikanerin wurde aufgrund der Überwachungskameras als Mutter ausfindig gemacht. Sie wollte ihr Kind an einem sicheren Ort ablegen. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass die Kirche im New Yorker Stadtteil Queens „Holy Jesus Child Church“hieß: übersetzt Heiliges Jesuskind Kirche. Eine Anklage wurde der Mutter des Kindes erspart. Erfreulich, dass sich sehr schnell viele Adoptiveltern gemeldet haben.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich will diesen Fall hier gar nicht moralisch bewerten. Aber er zeigt, in welche Nöte manche Mütter geraten, und nicht nur Mütter. Die derzeit weltweit 60 Millionen Flüchtlinge machen auf elende Zustände aufmerksam, die uns nicht ruhig sein lassen dürfen. Der kleine, erst wenige Stunden alte Junge in New York nimmt nicht nur den Platz des Jesuskindes in der Krippe ein. Er gibt ihm auch ein Gesicht. Wann immer wir von konkreten Einzelschicksalen hören, öffnen wir leichter unser Herz und fühlen uns herausgefordert.

Geht es uns nicht beim Anblick des am Strand von Bodrum ertrunkenen Jungen, durch den die ganze Flüchtlingsproblematik ein Gesicht bekam, ebenso wie bei der Nachricht von 16.000 zwangsrekrutierten Kindersoldaten im Südsudan? Dabei dürfen wir nicht das dahinter liegende Elend der vielen Betroffenen vergessen, die wir nicht zu Gesicht bekommen. Zur selben Zeit etwa, wie die Nachricht des in der Krippe ausgesetzten neugeborenen Jungen in den Zeitungen zu lesen war, wurde die Nachricht veröffentlicht, dass allein im Südsudan seit Ende 2013 zehntausende Menschen getötet wurden und 2,2 Millionen Menschen flohen.

In der heutigen ersten Lesung macht uns der Prophet Jesaja Mut: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt.“ Wie mögen die aus Krisen- und Kriegsgebieten geflohenen Menschen diese Nachricht aufnehmen? Mit der Geburt Jesu ist der Friedensfürst in unsere Welt und Geschichte eingetreten. Potentiell ist der Friede da, aber immer erst dort, wo er angenommen wird. Schon Angelus Silesius wusste im Mittelalter: „Wäre Jesus tausendmal in Betlehem geboren, doch nicht in dir, so wärest du verloren.“ Es kommt darauf an, dass wir nicht nur in Jubel über die Geburt des Gottessohnes ausbrechen, sondern uns seiner zuvorkommenden Liebe einordnen. Er ist der Ersthandelnde. Wir sind die zur Liebe Eingeladenen.

Papst Franziskus hat am 8. Dezember das Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Auch wir konnten in unserem Bistum drei Heilige Pforten errichten, die wir segensreich durchschreiten dürfen: Sie sind bei den Franziskanern in Würzburg, bei der franziskanischen Gemeinde von Bethanien in Aschaffenburg und im kommenden Frühjahr in der Franziskanerkirche auf dem Kreuzberg. Alle drei Kirchen sind Orte der leiblichen und geistigen Werke der Barmherzigkeit. Am deutlichsten dürfen wir wohl in der Beichte die Barmherzigkeit Gottes erfahren.

Im Evangelium hörten wir im Johannesprolog eindringlich die theologische Entfaltung des Weihnachtsgeheimnisses. Leider konnte der Evangelist nicht die Aussage verschweigen: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Genau das trifft doch unsere Problematik auf den Kopf: Christus bringt den umfassenden Frieden, wird aber oft mit seiner Friedensbotschaft nicht angenommen. Von daher greift auch sein Friede nicht. Wir aber, die wir etwas von dem Ungeheuerlichen dieser Friedensbotschaft verstanden haben, dürfen mit dem Friedenstiften ernst machen. So dürfen wir uns dann von Johannes ebenfalls zusagen lassen: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden.“

Sehen wir uns dann vielleicht auch als Erwachsene wie neugeborene Kinder Gottes in der Krippe, die dem Jesuskind ein Gesicht geben? Bedenkenswerte Gedanken von Günter Kusch möchte ich Ihnen zum Schluss weitergeben:

 

„Suchende sind wir, Herr, nach einem Sinn.

            Lass uns finden hinter den Worten: dein Wort.

Tastende sind wir, Herr, nach einem Grund.

            Lass uns greifen hinter den Sätzen: dein Geheimnis.

Hoffende sind wir, Herr, auf ein Zeichen.

            Lass uns lesen zwischen den Zeilen: dein Antlitz.

Wartende sind wir, Herr, auf ein Echo.

            Lass uns hören zwischen den Pausen: dein Atmen.

Sehnende sind wir, Herr, Tag für Tag.

            Lass uns spüren in unserer Sehnsucht: deine Liebe.“

Amen.