Liebe Schwestern und Brüder,
1. lassen Sie mich gleich zu Beginn dieser Sitzung zu dem Stellung nehmen, was die Kirche und die Öffentlichkeit seit mehreren Wochen bewegt: Die Rücknahme der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft und die Holocaust-Leugnung des ihr angehörenden Bischofs Williamson.
Unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. hat mit der Aufhebung der Exkommunikation in einem in der Kirchengeschichte einmaligen Schritt die große Bereitschaft zur Versöhnung mit der Pius-Bruderschaft signalisiert. Er hat gewissermaßen – ohne wirkliche Vorleistung der Anderen, nur auf deren Bitten hin – die Arme der Kirche weit geöffnet und die Traditionalisten zur Rückkehr in die Kirche eingeladen. Es bleibt abzuwarten, wie sie sich verhalten werden und ob sie sich an dem angebotenen Dialog über weitere strittige Fragen wie Kirchenbild, Liturgie, Religions- und Gewissensfreiheit beteiligen werden. Dabei ist jetzt aber auch festzuhalten, dass wohl die Exkommunikation dieser vier Bischöfe aufgehoben ist, sie aber derzeit keinerlei Amt in der Kirche ausüben. Die Aufhebung der Exkommunikation hat die vier Bischöfe also von der Kirchenstrafe befreit, die sie durch die unerlaubte Weihe betroffen hat. Eine Veränderung der kirchenrechtlichen Situation der Piusbruderschaft hat sich dadurch aber nicht ergeben. Sie besitzt weiterhin keine kanonische Anerkennung innerhalb der Kirche. Auch die vier Bischöfe, die nun von der Exkommunikation befreit sind, besitzen keine kirchenrechtliche Funktion in der Kirche und üben also in ihr erlaubter Weise keinen Dienst aus.
Das heißt konkret für die Situation in unserem Bistum: es hat sich im Blick auf die Niederlassung der Piusbruderschaft in Kleinwallstadt und ihre Kapelle in Würzburg zurzeit nichts geändert. Die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofkonferenz, die in der ersten Fastenwoche in Hamburg tagte, hat sich ausführlich mit diesem Thema befasst und in der Erklärung der deutschen Bischöfe zum gegenwärtigen Weg der katholischen Kirche vom 5. März 2009 folgende Fest- und Klarstellungen getroffen: „Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat sich selbst von der katholischen Kirche abgespalten. Es ist Bischöfen und Priestern, die der Bruderschaft angehören, auch nach der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe nicht gestattet, die Heilige Messe zu feiern oder andere Sakramente zu spenden. In besonderer Weise verstoßen die für dieses Jahr angekündigten Heiligen Weihen der Priesterbruderschaft gravierend gegen die Ordnung und das Recht der Kirche.“ Dies bedeutet weiterhin: „Die Priesterbruderschaft St. Pius X. befindet sich deshalb nicht in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche, weil sie sich außerhalb der katholischen Tradition gestellt und die Einheit mit dem Papst aufgekündigt hat. Es liegt an der Priesterbruderschaft, das Schisma zu überwinden und durch einen Prozess der Wiedereingliederung die Einheit mit dem Papst und der Lehre der Kirche herzustellen.“
Die Wege der Kurie, auf denen die Aufhebung der Exkommunikation zu Stande gekommen ist, sind für uns leider nicht nachvollziehbar. Sie haben große Irritationen hervorgerufen nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei uns Bischöfen. Deshalb haben wir dringend gebeten, um derartige Irritationen, die für viele zum Anlass für den Austritt aus der katholischen Kirche geworden sind, künftig zu vermeiden, dass die Verantwortlichen in der Kurie den Bereich der internen Abstimmung und der Kommunikation mit den nationalen Bischofskonferenzen dringend verbessern sollten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wird dies bei seinem nächsten Romaufenthalt mit Nachdruck an den entsprechenden Stellen vorbringen.
Es bleibt aber auch festzuhalten: Das Signal der Bereitschaft, die Mitglieder der Pius-Bruderschaft wieder in die Kirche aufzunehmen, ist ein großes Zeichen des Papstes. Er nimmt hier seinen Dienst für die Einheit der Kirche wahr. Ob dies jetzt und so schon an der Zeit war, wage ich nicht zu beurteilen. Wie die Kommunikationsstrukturen im Vatikan gelaufen sind und warum die antisemitischen Äußerungen Williamsons nicht bekannt waren, kann ich nicht bewerten und kommentieren. Es ist klar, dass ein solcher Schritt der Aufhebung der Exkommunikation Kritik hervorruft. Wenn solche Kritik der Klärung beiträgt ist sie hilfreich. Es ist aber dabei darauf zu achten, wie diese Kritik vorgebracht wird, ob sachlich oder persönlich verletzend, ob konstruktiv oder destruktiv.
Nun zu Richard Williamson, einem dieser vier Bischöfe. Zu den Aussagen von Williamson bleibt unmissverständlich festzustellen: Wer die schreckliche Wahrheit des millionenfachen Mordes an den Juden während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und die Gaskammern leugnet, kann keinen Platz in der katholischen Kirche haben.
Dies hat auch die Vollversammlung der deutschen Bischöfe in ihrer Erklärung herausgestellt: „Besonders bedrückend sind die Holocaust-Leugnung eines Bischofs der Priesterbruderschaft St. Pius X. und entsprechende antisemitische Strömungen in der Priesterbruderschaft. Es fehlt bislang eine ernsthafte Distanzierung der Betreffenden von solchen inakzeptablen Haltungen, wie sie der Apostolische Stuhl schon früh gefordert hat. Papst Benedikt XVI. hat mehrfach unmissverständlich zur Geltung gebracht, dass die katholische Kirche den Antijudaismus und Antisemitismus verwirft. Wir freuen uns, dass der Heilige Vater auch in den zurückliegenden Wochen den Dialog mit herausragenden jüdischen Vertretern fortsetzen konnte. In Deutschland haben einige bedeutsame Begegnungen mit jüdischen Repräsentanten stattgefunden, in denen es Gelegenheit gab, über Sorgen und Befürchtungen offen zu sprechen und die wechselseitige Verbundenheit zu vertiefen. Wir sind dafür sehr dankbar und setzen diese Bemühungen fort.“
Mir selbst ist es unbegreiflich, wie ein Mensch die schrecklichen Verbrechen des Holocaust leugnen kann. Das, was in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten geschehen ist, treibt einem auch heute die Schamröte ins Gesicht. Die entsetzlichen Verbrechen, das unbeschreiblich große Leid, das Millionen von Menschen und insbesondere die jüdischen Mitbürger erleiden mussten, müssen in das Gedächtnis der Menschheit als eindringliche Mahnung eingeschrieben bleiben, damit sich ähnliches nicht wiederholt. Ich habe in meinem Buch „Kometenstreifen des Himmels – das Geistliche in der Kunst“ auf das Bild SHOAH von Wolf Vostell hingewiesen, das die reale Grausamkeit aufgreift und bildnerisch zur Sprache bringt. Jegliches Verschweigen oder gar Leugnen ist töricht, unverantwortlich und nicht hinzunehmen. Solche Äußerungen sind ein Zeichen von der Dummheit und Ignoranz.
Ich bin unserem Heiligen Vater Papst Benedikt XVI. sehr dankbar für seinen Brief, den er in dieser Woche an die Bischöfe der Katholischen Kirche gerichtet hat. Er benennt darin klar seine Motivation für das Handeln und gibt damit einen tiefen Einblick in sein Verständnis des Petrusamtes als Dienst an der Einheit. Weiterhin räumt er mit großer Offenheit die Pannen ein, die im Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft geschehen sind. Ich hoffe, dass dieser Brief viel zu Klärung beiträgt, die emotionalen Wogen glättet und so zur notwendigen sachlichen Diskussion zurückführt.
2. Ich kann die Bestürzung vieler über diese Vorgänge in den vergangenen Wochen verstehen. Leider waren die Darstellungen der Medien nicht hilfreich, ein objektives Bild zu gewinnen. Es schien bisweilen sich um eine regelrechte Kampagne gegen die Kirche und den Papst zu handeln. So stellten auch wir Bischöfe fest: „Leider fielen in den letzten Wochen auch Äußerungen zu den aktuellen Ereignissen, die die Zusammenhänge verzerrt und polemisch darstellten. Auch im Innenraum der Kirche gab es Stimmen und Aktivitäten, die lieblos, extrem einseitig oder gar herabsetzend waren und der Einheit geschadet haben. Wir beklagen diesen Stil des Umgangs miteinander. Vor allem weisen wir jeden Versuch zurück, das Ansehen und die Integrität des Papstes in Zweifel zu ziehen, die katholische Kirchenverfassung zu negieren und spalterisch zu wirken.“
Gerade Äußerungen, die unseren Heiligen Vater in Opposition zu den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils brachten, sind haltlos. Sie verkennen die Person Benedikts und seine Verdienste um das Konzil, an dem er als Berater von Joseph Kardinal Frings teilgenommen und das er so entscheidend geprägt hat. Alle Versuche, Papst und Konzil gegeneinander auszuspielen, sind entschieden zurückzuweisen, da sie einfach falsch sind. Ärgerlich wird dies zudem, wenn innerhalb der Kirche in einer Petition für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils Papst Benedikt XVI. irreführend unterstellt wird, dass er zulasse und erlaube, dass Geist und Buchstaben des Zweiten Vatikanischen Konzils von Teilen der katholischen Kirche geleugnet werden dürften. Solche Behauptungen stehen in absolutem Widerspruch gegen die Tatsachen, dass von der Pius-Bruderschaft für ihre Wiederaufnahme gerade die volle Anerkennung des gesamten Lehramtes der Kirche und damit insbesondere auch das Zweite Vatikanische Konzil als unabdingbare Voraussetzung für die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche gefordert wurden.
So gilt für uns als Kirche auch 50 Jahre nach der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 25. Januar 1959: „Die theologischen und pastoralen Maßgaben vor allem des Zweiten Vatikanischen Konzils sind die selbstverständliche Grundlage unseres Bemühens, die Kirche in Deutschland geistlich zu erneuern und der Antwort des Glaubens auf die religiösen Fragen unserer Zeit in Wort und Tat neue Kraft zu verleihen.“
Gerade auch im Blick auf die Pius-Bruderschaft bleibt deshalb festzuhalten: „Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils gehören unaufgebbar zur katholischen Tradition, nicht zuletzt die Texte über die Religionsfreiheit und die Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen, über den Ökumenismus und über die Kirche in der Welt von heute sowie die Aussagen über die Kollegialität der Bischöfe in ihrem Verhältnis zur päpstlichen Autorität.“ Das Zweite Vatikanische Konzil bleibt so der Markstein, an dem sich die Rekonziliation dieser Gemeinschaft messen lassen muss.
Vielleicht hat diese Diskussion auch noch etwas Gutes, wenn so ein neues Interesse an der Dynamik und den Orientierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils geweckt wurden.
3. Lassen Sie mich nun am Ende noch auf die Thematik Ihrer Frühjahrsvollversammlung eingehen. So ist die Bewahrung der Schöpfung eine wichtige Aufgabe und Herausforderung gerade in unseren Tagen. Der Völkerapostel Paulus bringt in einem eindrucksvollen Text die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen zusammen mit der Erlösungsbedürftigkeit der ganzen Welt. Er ist überzeugt, dass Gott diese Erlösung wirkt und schenkt. Auch die Verantwortung der an Christus Glaubenden blitzt in diesem Text im 8. Kapitel des Römerbriefes auf. Dort schreibt Paulus: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden.“ (Röm 8,18-23).
Ich nehme auf meinen Visitationen dankbar wahr, dass das Thema Schöpfung, Umweltschutz und Energieeinsparung wichtige Themen in den Gemeinden vor Ort sind. Die Gemeinden sind sich ihrer Verantwortung für die Schöpfung bewusst und möchten mit gutem Beispiel für die Gesellschaft handeln. Die Optimierung des Energieverbrauchs und Fragen von energieeffizientem Bauen und Sanieren werden immer wieder angesprochen. Es muss jeweils nach individuellen Lösungen gesucht werden, die die konkrete Situation vor Ort, die Möglichkeiten und Gegebenheiten in den Blick und unsere Verantwortung für die Schöpfung ernst nehmen. Leider ist unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten nicht alles, was möglich erscheint, auch realisierbar. Deshalb ist immer wieder neu Phantasie und Kreativität gefragt. Ich bin überzeugt, dass sich im Normalfall Wege finden lassen und setze auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und den entsprechenden Stellen des Ordinariates, den Umweltbeauftragten, den Energieberatern und dem Baureferat.
Liebe Schwestern und Brüder,
wohltuend nehme ich auch auf meiner aktuellen Visitation im Dekanat Schweinfurt Nord – aus diesem Grund kann ich morgen leider nicht bei Ihnen sein – das Engagement der Ehrenamtlichen und der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen wahr. Ich kann dafür nur und aus tiefstem Herzen „Vergelt’s Gott!“ sagen. Ohne dieses Engagement wäre ein Leben in den Gemeinden nicht möglich. Ich bin sehr dankbar für die konstruktive Arbeit, die von den Gremien gerade auch im Hinblick auf die Errichtung der Pfarreiengemeinschaften geleistet wird. Wir befinden uns in diesem Prozess nahezu auf der Zielgeraden. Zum ersten Fastensonntag des nächsten Jahres werden hoffentlich alle Pfarreiengemeinschaften des Bistums errichtet sein. Damit ist eine wichtige Weiche für eine verantwortete Pastoral auch in Zukunft gestellt und auch befahren.
Ich wünsche Ihnen für diese Tagung den Geist Gottes, damit diese Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrates der Katholiken im Bistum Würzburg zum Segen werde für die gesamte Diözese.