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„Zeuge der Wirklichkeit des Himmels“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Samstag, 24. September 2016, bei der Feier der Seligsprechung von Pater Engelmar Unzeitig im Würzburger Kiliansdom

Verehrter Kardinal Amato,

liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonendienst,

liebe Mariannhiller Ordensleute und deren Freunde,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

vor wenigen Tagen geschah wieder ein schweres Erdbebenunglück in Mittelitalien. Über 290 Tote waren zu beklagen. Unmittelbar danach wurde die schon oft geäußerte Klage laut: „Wo ist Gott?“ Wie kann der uns liebende Gott bei einer solchen Katastrophe zusehen, ohne helfend einzugreifen? Vielleicht haben auch Sie sich, liebe Schwestern und Brüder, diese Frage gestellt. In der ersten Sprachlosigkeit angesichts eines solch großen Leides vermag man kaum eine Antwort zu formulieren.

Erstaunlicherweise hat dies der Mailänder „Corriere della Sera“ getan. Seine Antwort: „Er (Gott) ist in der Anwesenheit neuer Schutzengel, in all den freiwilligen Helfern, in den Feuerwehrleuten, in allen Frauen und Männern guten Willens, die sich selbst zum nächsten machen, die sich nicht nach der Uhr, sondern nach dem Herzen richten. Die nicht weglaufen und die auf den menschlichen Schrei aus Schmerz und Verzweiflung antworten. Er ist die Antwort der Hoffnung auf die Angst, des Glaubens auf unsere Schwachheit.“

Angesichts des unvorstellbaren Leides in den Konzentrationslagern der Nazis wurde und wird erst recht auch immer wieder die Frage gestellt: „Wo ist Gott gewesen?“ Ich muss gestehen, dass auch ich diese Frage nicht beiseiteschieben kann. Aber dürfen wir hier nicht – wie die Mailänder Zeitung es getan hat –  auf die Engel in Dachau verweisen?

Wir sprechen zurecht von der Hölle in Dachau. Unvorstellbares Leid ist dort Menschen zugefügt worden. Aber ich erinnere mich an einen Ausspruch des vor kurzem verstorbenen Prälaten Scheipers, der dieses Konzentrationslager überlebt hatte und schon bei der Seligsprechung unseres Würzburger Pfarrers Georg Häfners am 15. Mai 2011 hier im Dom war. Er sagte: „Gott war auch in Dachau zugegen.“

Neben vielen anderen Menschen wurden auch etwa 2700 Priester hinter Stacheldraht gefangen gehalten und gequält. Der Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, bezeichnete deshalb in seiner Predigt am 2. Februar dieses Jahres Dachau als das „größte Kloster der Welt“.

Pater Engelmar Unzeitig war einer von ihnen. Er war gerade erst 30 Jahre alt und erst seit zwei Jahren Priester als er in diese menschliche Hölle gebracht wurde, in der die Priester in eigene Baracken gepfercht wurden. Zwar durften sie je nach Lust und Laune der Peiniger die heilige Messe feiern, aber ansonsten wurden sie umso mehr gequält oder zu Tode gemartert. Dürfen wir nicht hier auch Gottes Anwesenheit in unserem Pater Unzeitig erkennen?

So weit es möglich war, setzte er auch im Konzentrationslager Gebet und Studium fort. Getreu dem Motto der Mariannhiller Missionare „Wenn niemand geht, dann gehe ich“ half er so unauffällig aber effektiv wie möglich. Er lernte eigens Russisch, um den jungen russischen Gefangenen den Katechismus in russischer Sprache nahe bringen zu können. Er verzichtete auf einen Teil der ohnehin spärlichen Essensration, um sie den noch mehr darbenden jungen russischen Gefangenen geben zu können.

Als 1945 eine Typhusepidemie ausbrach, war er mit 19 anderen Priestern bereit, in die betroffenen Baracken zu gehen und den Kranken und Sterbenden beizustehen. Und diese Bereitschaft hatte er, wohl wissend, dass er sich selber anstecken könnte und damit dem sicheren Tod entgegen ging. Er besaß dennoch dazu die Kraft und legte damit ein Zeugnis für die Barmherzigkeit Gottes ab.

Aus dem Konzentrationslager schrieb er an seine Schwester; „Was immer wir tun, was immer wir wollen, es ist einfach nur Gnade, die uns trägt und führt. Gottes allmächtige Gnade hilft uns Hindernisse zu überwinden. Liebe verdoppelt unsere Kraft, macht uns erfinderisch, zufrieden und innerlich frei. Wenn Menschen doch verstehen würden, was Gott für die bereithält, die ihn lieben.“

Was können wir, liebe Schwestern und Brüder, an diesem neuen Seligen für uns beispielgebend erkennen? Erstens: Mag die eigene Lebenssituation auch noch so ausweglos erscheinen, ich kann als neue Schöpfung Gottes die Wirklichkeit des Himmels durch mein Tun bezeugen. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in Konsequenz anderen Leidenden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Wir stehen heute vor der gewaltigen Aufgabe einer Neuevangelisierung Europas. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir die uns in der Taufe geschenkte neue Schöpfung in Gebet und Tun mit der Hilfe Gottes auch realisieren, das heißt sichtbar machen.

Zweitens: Pater Engelmar hat seine Bereitschaftserklärung, sein Adsum bei der Priesterweihe in einer Situation durchgehalten, die ihn menschlich gesehen überfordern musste. Er hat sich als Aushilfspriester ebenso um französische Kriegsgefangene gekümmert wie als Gefangener im Konzentrationslager Dachau um russische Inhaftierte. Er hat sich auch da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte.

Wie steht es mit uns, wenn unser Versprechen Gott gegenüber auch eingelöst werden muss? Ich denke dabei nicht nur an unser Versprechen bei der Ehe und bei der Priesterweihe, sondern auch an unsere christliche Grundhaltung Menschen gegenüber, die jetzt unsere Hilfe brauchen – wie zum Beispiel die Flüchtlinge und Asylsuchende. Machen wir mit der Botschaft des Evangeliums auch dann ernst, wenn wir persönlichen Schaden in Kauf nehmen müssen?

Drittens: Pater Engelmar hatte sich den Mariannhillern Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und dort in fernen Ländern den Glauben einpflanzen wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 (kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges) konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das Konzentrationslager Dachau.

Obwohl sein Wunsch, in die Mission zu gehen, sich nicht erfüllt hatte, wurde er nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier – wie er selbst schrieb – „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“ seine missionarische Berufung leben konnte.

Und wir? Ist für uns nicht erst recht die Möglichkeit gegeben, heute unseren Glauben authentisch bescheiden und damit wirkkräftig zu leben? Wir brauchen keine Verfolgung, Bestrafung oder gar Hinrichtung zu fürchten. Kann uns da nicht diese Lichtgestalt aus dunkelster Zeit zur nötigen Einsicht verhelfen?

Möge uns dabei der neue Selige, Pater Engelmar Unzeitig, ein Fürsprecher und tatkräftiger Helfer sein. Sein Gedenktag wird künftig der 2. März sein. Amen.